30. Dezember 2008

Zumutbarkeitsfragen - Linker Streit über Mindestsicherung

Die Mindestsicherungsdebatte der Linkspartei im Tagesspiegel vom 22.12.2008:
Sozialhilfe entzweit die Linke
Der Fraktionsvorstand der Linken beschließt Konzept für bedarfsdeckende Mindestsicherung und stößt damit auf parteiinternen Widerstand. Die stellvertretende Parteichefin Katja Kipping bezeichnet das Konzept als „Hartz IV light“.
Diese Debatte wird DIE LINKE auch 2009 beschäftigen:
Die Frage, welche Mindest- bzw. Grundsicherung die linke Partei fordert, betrifft mit der Sozialpolitik nicht nur eines ihrer zentralen Politikfelder, sondern mit der dabei verhandelten Frage "Was soll nach Hartz IV kommen?" auch einen der zentralen Punkte in der kollektiven Identität der neu gebildeten Linken. Das sollte für die Akteure in der LINKEN doch Anlass genug sein, eine solche zentrale Debatte intensiv und mit breiter Beteiligung in der Partei, in ihrem weiteren Umfeld und insbesondere mit Akteuren sozialer Bewegungen etc. zu führen.

Erste Reaktionen: Erklärung der Bundesarbeitsgemeinschaft Grundeinkommen in und bei der Partei DIE LINKE vom 23.12., sowie im Folgenden ein Überblick.

Zumutbarkeitsfragen
Kommentar von Tom Strohschneider in seinem Blog "Lafontaines Linke" vom 29.12.2008
In der Linkspartei sorgt das Konzept einer sozialen Mindestsicherung für Streit. Nachdem der Tagesspiegel über ein vom Fraktionsvorstand verabschiedetes neunseitiges Papier berichtete und die scharfe Kritik der Sozialpolitikerin Katja Kipping zitierte, nahm auch die Junge Welt den Ball auf. Das Blatt lässt Fraktionsvize Klaus Ernst zu Wort kommen, der beklagt, die „interne Beschlussvorlage” sei nur durch eine Indiskretion von Kippings Mitarbeitern publik geworden. Vorwürfe der BAG Grundeinkommen, es handele sich bei dem favorisierten Modell lediglich um ein „verbessertes” Arbeitslosengeld II wies Ernst zurück und bezeichnete es als „unzumutbar, eine partei- und fraktionsinterne politische Debatte weiter auf diesem Niveau zu führen”. Um Zumutbarkeit geht es auch den Kritikern von Ernst: Ein Konzept, das der Existenzsicherung durch Erwerbsarbeit Vorrang einräume und Sanktionen bei der Ablehnung von angebotener Arbeit beinhalte, hebe den „völkerrechtswidrigen Arbeitszwang” nicht auf und öffne „Tür und Tor für repressive Maßnahmen”. Ernst wies die Vorwürfe zurück und erklärte, Kürzungen der Zuwendungen seien künftig „nur noch Ultima ratio”. Allerdings mache man keine „Politik für die, die nicht wollen”. Während Ernst für einen Regelsatz von 435 Euro pro Monat plädiert, fordert Kipping eine Untergrenze von 800 Euro, „unter die nicht gekürzt werden darf”. (...)
Die von Ernst monierte "Indiskretion" ist allerdings eher ein Gerücht: Mitte Dezember schickte Katja Kipping nach etlichen Nachfragen aus ihrer Fraktion eigene Änderungsvorschläge zur Vorlage von Klaus Ernst für den Beschluss des Fraktionsvorstandes an ihre MdB-KollegInnen in der Linksfraktion: Ist die Beschlusslage im Fraktionsvorstand so geheim, dass nicht alle Fraktionsmitglieder sie kennen sollen – obwohl das Vorstandspapier offenbar auf der Klausur der linken Bundestagsfraktion Mitte Januar direkt nach der Winterpause verabschiedet werden sollte?

In diesem Sinne: Ein gutes Jahr 2009!

Jahresendgrüße

the yolk blog: Merry Christmas - Greek style
AFP pic of burning christmas tree in Athens central square, I guess all the kings horses and all the kings men could not help here!

They came for the symbols of wealth alright, youth in Greece still rioting in the most serious and longlasting protests in decades. (...) It escalated after police shot a 15 year old boy on the street and there being an already unpopular government, a growing gap between rich and poor, and high youth unemployment, it was no surprise that the event became a lightning rod for disparate groups to rally together.

Around the world students and others have protested in solidarity with Greek students at times facing severe repression with some people being arrested in Bristol UK and harsh police action in Germany. In the shadow of the global economic crisis, this is a significant moment that the broader Left has not yet seen the significance of. But apparently, youth in Spain have!
Enjoy THIS symptom!
(gefunden von Rainer Rilling)

Als Nachtrag noch ein Fundstück für die besinnlichen Stunden zum Jahreswechsel:
Karl Heinz Roth: Globale Krise – Globale Proletarisierung – Gegenperspektiven (bei wildcat), Exposé zu einem neuen Buch zum "Zustand der Welt".

25.01.09, FFM: Antikapitalistischer Ratschlag

Die Interventionistische Linke (IL) und andere laden ein zum Antikapitalistischen Ratschlag am 25.1.2009 in Frankfurt am Main:
An die Linke von Heiligendamm
An alle GenossInnen, denen die Kritik des herrschenden Elends immer auch eine Frage der praktischen Intervention ist. An die Gewerkschaftsaktivist/innen, deren Projekt sich im Kampf um mehr Lohn nicht erschöpft. An alle, für die eine andere Klimapolitik vom Kampf gegen das globale Ausbeutungsgefälle nicht getrennt werden kann. An die Aktivist/innen ungezählter sozialer Initiativen, denen die Veränderung gesellschaftlicher Verhältnisse immer auch eine Frage der alltäglichen Lebensweisen ist. An diejenigen in der Partei DIE LINKE, die sich von der Bewegung auf der Straße nicht trennen lassen und für die Politik deshalb im Sprung auf 13%+x nicht aufgeht. An alle, die auf der Suche nach einer kollektiven Form für ihre rebellischen Wünsche nach einer ganz anderen Welt sind:
Eröffnen wir gemeinsam eine Debatte um die „K-Frage“: eine Debatte über Krise, Krieg, Klimawandel, Kapitalismus – über ein kommunistisches Danach und die Kämpfe, in denen es Gestalt annimmt.
Sonntag, 25. Januar 2009, von 10 bis 18 Uhr
Gewerkschaftshaus, Wilhelm-Leuschner-Str. 69-77, 60329 Frankfurt/Main
• Einladung zum Ratschlag: "An die Linke von Heiligendamm"
• Programmablauf: Tagesordnung des Antikapitalistischen Ratschlags
• Kampagnenaufruf der IL: "Ich krieg die Krise..." – Die K-Frage stellen! Die Interventionistische Linke zur Krise des Kapitalismus und den Perspektiven der Transformation

Meine Wenigkeit soll etwas zum Verhältnis von sozialen Bewegungen und Kämpfen zu Parteien referieren, schön kurz. (Zum Thema linke Partei und soziale Bewegungen siehe z.B. hier in meinem Blog.)

19. Dezember 2008

Datenschutzbeauftragter fordert Datenauszug

Datenschutzbeauftragter fordert Datenauszug für jeden Bürger
Laut Vorabmeldungen fordert der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Schaar, einen Datenauszug für jeden Bürger. «Ich halte es für eine gute Idee, dass Unternehmen und Behörden jedem Bürger unaufgefordert - vielleicht einmal pro Jahr - einen Auszug über seine jeweils gespeicherten Daten zusenden, eine Art persönlichen Datenauszug», sagte Schaar der Tageszeitung «Die Welt».
Die Agentur AFP meldet weiter:
Manch einer würde sich dann wundern, wie viele Daten an welchen Stellen über ihn gespeichert seien.
Schaar verlangte zudem die Verankerung des Datenschutzes im Grundgesetz. "Grundrechte müssen für den Bürger nachlesbar sein. Das informationelle Selbstbestimmungsrecht gehört als Magna Charta der Informationsgesellschaft ins Grundgesetz", sagte Schaar. Karlsruhe habe bereits 1983 im Volkszählungsurteil aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung abgeleitet.
Der Super-GAU beim Datenschutz ist Schaar zufolge längst da. "Wir haben es mit einer Vielzahl von Datenmissbrauchsfällen zu tun, die in ihrer Summe den Super-GAU darstellen", sagte Schaar dem Blatt. Die gespeicherten Daten über die Bürger seien schon so umfangreich, dass sehr weitgehende Persönlichkeitsprofile erstellt werden könnten. "Das ist keine Horrorvision für die Zukunft, sondern eine gegenwärtige Gefahr."
Nachtrag: Das vollständige Interview mit Schaar findet sich hier bei WELT online:
"Viele geben ihre Daten zu leichtfertig preis"

12. Dezember 2008

Repression

Der Staat verbietet eine Anti-Repressionsdemo in Bremen (im Rahmen eines bundesweiten Aktionstages am 13.12.2008 gegen staatliche Repression und auch aktuell wegen der tödlichen Polizeischüsse auf den 15-jährigen Alexis Grigoropoulos): Das Verbot des Bremer Stadtamtes erfogte mit Hinweis auf die "aufgeheizte Stimmung", dazu z.B. in der heutigen taz. Da diese "aufgeheizte Stimmung" durch staatliche Repression entstanden ist - die Bremer Behörde selbst nennt in ihrer Begründung einige Beispiele für Polizeigewalt - darf man sich fragen, ob die Polizei nun ein Beispiel liefern will für die im Aufruf des Aktionstages thematisierte Polizeigewalt und Willkür.

Derweil mobilisieren die VeranstalterInnen weiter für Samstag, 13.12.08, um 14 Uhr am 14:00 Uhr am Bremer Schlachthof. "Passt genau zu unserem Thema", heißt es aus dem Vorbereitungsbündnis. Gegen das Verbot wird gerichtlich vorgegangen.

Update: Berichte zum 13.12. (Polizeikessel, Wasserwerfer, etwa 150 Festnahmen) u.a. bei Indymedia.

10. Dezember 2008

Kärntner Kulturkampf

Satiriker-Duo Stermann & Grissemann virtuell beim “zensurlos fest“ in Klagenfurt

Im Heimatland der FPÖ ist Satire nicht willkommen, zumindest wenn sie sich mit der wochenlangen Kollektivtrauer um Kult-Nazi Jörg Haider auseinandersetzt. Das Satiriker-Duo Grissemann und Stermann (in Berlin bekannt durch die "Show Royale" auf Radio Eins) scherzte in seiner ORF-Sendung "Willkommen Österreich" einmal zuviel und sieht sich nun Morddrohungen ausgesetzt, Forderungen nach Auftrittverboten und ein mutmaßlicher Anschlag gegen ihren Veranstalter sind weitere Folgen. Für den 11. Dezember 2008 wurde eine Veranstaltung mit dem Duo an der Universität Klagenfurt abgesagt. In Kärnten regt sich aber auch Widerstand gegen diesen fortdauernden "Geist von Haider": ein “zensurlos fest“ am gleichen Tag hält die Freiheit der Kunst hoch.

Alles weitere im Artikel "Nicht ganz Kärnten tickt wie Haider" von Katharina Weise in der LesBar des Magazins »prager frühling«.

9. Dezember 2008

Dummheit

Über Dummheit kann man sich maßlos ärgern, sie lässt sich schwerlich verbieten.

Mein früherer Religionslehrer (immerhin geweihter Priester) definierte bestimmte Formen von Dummheit als "Sünde wider den heiligen Geist": Gemeint ist nicht die Lüge – also "wider besseren Wissens" – sondern wenn man etwas besser hätte wissen können, aber darauf verzichtete, es zu tun – also "wider besser wissen Könnens".

Die Botschaft an die solchermaßen Dummen ist also: Vorsicht, das ist keine leichte Sünde!
Aber was sage ich den Atheisten?

7. Dezember 2008

Green New Deal

Der "Klimawandel" wird auch in 2009 weiter und zunehmend Gegenstand linker Politik sein. Hoffentlich jedenfalls, denn aus linker Sicht muss gelten: Klimapolitik ist Sozialpolitik und die Frage nach globaler Gerechtigkeit.

Das öffentlich kaum mehr bestrittene Fortschreiten der ökologischen Krise (mit seinen prominentesten Ausdrucksformen Klimawandel und Energieverknappung) fällt nun zusammen mit der aktuellen ökonomischen Krise und der politischen Defensive des neoliberalen Projekts.

Nun ist die Frage nach einem "Green New Deal" in den Focus öffentlicher Aufmerksamkeit gerückt: Es ist derzeit das einzige globale Projekt seitens der Eliten, welches diese Krisenerscheinungen zugleich anzugehen verspricht. Vor allem Debatten in den USA legen nahe, dass es hierfür gesellschaftliche Mehrheiten geben könnte.

Beim Green New Deal geht es um eine erneuerte ökologische Modernisierung des Kapitalismus, nachdem der Diskurs um Nachhaltige Entwicklung der letzten 20 Jahre auch aus Sicht der Eliten als gescheitert angesehen werden kann, insbesondere insofern dieser nicht in der Lage war, global effektive Ressourcenmanagementregimes zu etablieren.

Die beiden Klima-Aktivisten Tadzio Müller (Turbulence) und Alexis Passadakis (attac) analysieren diese Entwicklungen in ihren "20 Thesen gegen den grünen Kapitalismus" und plädieren für "global vernetzte soziale Bewegungen für Klimagerechtigkeit".
[Eine Fassung mit deutscher Übersetzung gibt es beim Magazin »prager frühling«, siehe PDF am Seitenende.]

19. November 2008

Argumente vom Homo-Stammtisch

Homophobiedebatte in Berlin

Der Berliner CDU-Politiker Sascha Steuer eröffnete vor kurzem eine Debatte um homophobe Gewalt in Berlin (dazu siehe z.B. hier und hier). Steuer verweist auf den "Migrationshintergrund" der Täter sowie das "Entstehen von Parallelgesellschaften" und knüpft damit an die unselige Leitkultur-Debatte der Union (siehe z.B. hier) an. In seinem Kommentar „Die Übergriffe machen uns Angst“ forderte Steuer im Tagesspiegel, Intoleranz und Gewalt junger Migranten in Berlin nicht länger zu dulden und warf der rot-roten Koalition Untätigkeit vor.

Klaus Lederer, Landeschef der Linkspartei, antwortete ihm an gleicher Stelle: "Kein Staat nimmt uns den Kampf ab" und verweist darauf, dass Homophobie aus der Mitte der Gesellschaft kommt und mitnichten exklusives Problem migrantischer Männer ist. So könne man ja schlecht den Bischöfen, die sich mit Sympathie gegenüber Schwulen schwer tun, (quasi im Sinne der Leitkultur-Debatte) die Ausweisung androhen. "Wir Lesben und Schwule, lehrt alle Erfahrung, müssen unsere Emanzipation in der Gesellschaft selbst erkämpfen. Dieser Kampf dauert schon Jahrzehnte und ist schwierig. Kein Staat nimmt uns das ab." Lederer verweist zugleich auf entschlossenes Handeln von Berliner Behörden. Dem Unions-Politiker Steuer empfiehlt er, die Diskriminierung gerade in der Mehrheitsgesellschaft anzugehen anstatt den "Homo-Stammtisch" zu bedienen.

Aus aktuellem Anlass also:
In der LesBar des Magazins »prager frühling« findet sich das Vortragsmanuskript "Jeder für sich oder miteinander lernen? Der gemeinsame Ethikunterricht als eine Antwort auf die multikulturelle Realität Berlins" von Klaus Lederer, mit Überlegungen zum gesellschaftlichen Miteinander, nicht nur ausgehend von der Debatte über einen Religionsunterricht an Berliner Schulen, sondern auch anhand der Frage nach dem Umgang mit gesellschaftlichen Einstellungen zur Homosexualität.

17. November 2008

Ruhig Blut, bitte.

Mit juristischen Mitteln gegen Wikipedia: Politiker mal wieder gescheitert

Lutz Heilmann, LINKE-MdB aus Schleswig-Holstein, musste am Sonntag zurückrudern: Nachdem er am 13. November per einstweiliger Verfügung die deutsche Internetadresse (www.wikipedia.de) der beliebten Web-Enzyklopädie Wikipedia wegen angeblich falscher Aussagen im Artikel zu seiner Person hatte sperren lassen, zog er die Verfügung nun zurück. Er räumt in einer Erklärung ein, dass der juristische Weg sich "als problematisch erwiesen" hätte – die Strafanzeigen gegen einzelne Wikipedia-AutorInnen will er laut einer Heise-Meldung allerdings aufrechterhalten. (Siehe auch SpOn, Heise.)

Pikanter Aspekt der Angelegenheit: Heilmann hatte für das MfS als Personenschützer gedient und dies, entgegen den klaren Beschlüssen der Linkspartei zum Umgang mit der Stasi-Vergangenheit, der ihn wählenden Parteiversammlung verschwiegen. Erst später wurde seine Biografie-Bereinigung durch den Spiegel aufgedeckt, seit dem finden in seinem Landesverband heftige Auseinandersetzungen statt. Einige der Vorgänge fanden sich auch in dem Heilmann-Artikel bei Wikipedia wieder. – Kaum verwunderlich, dass nun an etlichen Stellen im Web wieder der Vergleich nach dem Muster "LINKE = DDR & Zensur" auftaucht.

Da die gesperrte Internetadresse nur eine Weiterleitung auf das eigentliche deutschsprachige Angebot der Wikimedia Foundation de.wikipedia.org war, blieb dieses dem Zugriff von Heilmanns juristischer Attacke entzogen. Auch der Artikel über Heilmann war weiter online und wurde inzwischen von der regen NutzerInnengemeinde weiter bearbeitet – laut Heilmanns Erklärung wurden dabei die "verletzenden Inhalte weitgehend aus dem entsprechenden Artikel entfernt".

Tendenziöse Artikel und falsche Aussagen, insbesondere bei Personen-Artikeln, sind tatsächlich Alltag bei Wikipedia: Umstrittene Passagen sind Gegenstand ganzer edit-wars. Allerdings liegt hier auch eine Stärke des Projekts, allzu tendenziöse Formulierungen und allzu offensichtliche Werbetexte werden in der Regel schnell Gegenstand von Korrekturen durch die zahlreichen NutzerInnen des Portals – auch wenn die gefundenen Kompromisse nicht immer befriedigend sind (dazu ausführlicher bei Tom Strohschneider).

Was normale Web-NutzerInnen in der Regel mit mehr oder weniger Geduld ertragen, ist offenbar für einzelne PolitikerInnen der Partei DIE LINKE nur schwer einsehbar: Zuletzt hatte die damalige Vize-Vorsitzende der Linkspartei Katina Schubert Ende 2007 die juristische Keule geschwungen und Strafantrag gegen Wikipedia gestellt. Sie musste dann ebenfalls einsehen, dass dieser Weg ein Fehler ist.

Man darf erwarten, dass soviel Mangel an Souveränität und Lernfähigkeit parteiintern nicht ohne Wirkung bleibt. Welchen Schaden kann man als Bundestagsabgeordneter dem Ansehen seiner Partei zugefügen, ohne dass die zugehörige Partei eine offene und sachliche Debatte über das Wirken dieser Person führt und Konsequenzen zieht? (Ja, ich weiß schon, dies ist in Parteien aufgrund der negativen Medienresonanz, die man damit selbst erzeugt, nicht wirklich beliebt.)

Partei-Mitarbeiter Mark Seibert grübelt in seinem Blog über Schlussfolgerungen aus der Sache:
Man muss es irgendwie schaffen, Mandatsträgern näherzubringen, wie partizipatives Internet fuktioniert, wie die Verbreitung freien Wissens funktioniert und wie Kommunikation dort funktioniert. Und das möglichst zu eine Zeitpunkt, wenn noch nicht solche Katastrophen passiert sind.
Das hört sich nicht sehr optimistisch an. Schließlich hat DIE LINKE der interessierten Öffentlichkeit mit dieser Angelegenheit mal wieder eindrucksvoll mangelnde Medienkompetenz und Unverständnis für das Medium Internet demonstriert.

10. November 2008

28.11.08, Berlin: Gesprächskreis der Emanzipatorischen Linken zur Programmdebatte

Freitag, 28. November 2008, um 18 Uhr in Berlin:
Karl-Liebknecht-Haus, Konferenzraum 3, Kleine Alexanderstr. 28, 10178 Berlin

Die Emanzipatorische Linke (Ema.Li) ist im Frühjahr 2006 als Denkrichtung in der Partei DIE LINKE und in ihrem Umfeld im Zusammenhang mit der Vereinigung der beiden Linksparteien PDS und WASG in Deutschland hervor getreten. Im damaligen Parteineubildungsprozess konnte Ema.Li mit dem Papier "Freiheit und Sozialismus – Let's make it real. Emanzipatorische Denkanstöße für die neue linke Partei" eine wichtige Rolle in der programmatischen Debatte spielen. Dieses Programmpapier, weitere Debattenbeiträge sowie Veranstaltungen finden sich auf dieser Website wieder.

Ema.Li hat bewusst darauf verzichtet, eine eigene machtpolitische Strömung zu bilden. Dies sehen wir weiterhin als richtig an, denn es besteht eine Notwendigkeit, jenseits der Strömungslager in der Partei eine unabhängige Diskussion für links-emanzipatorische Positionen zu führen. Nach der Gründung der Partei DIE LINKE steht eine inhaltliche Neubegründung der LINKEN weiterhin aus. Dies soll durch die bereits begonnene – bisher allerdings erst im kleinen Kreis geführte – Programmdebatte der neuen Partei eingelöst werden.

Als Emanzipatorische Linke innerhalb und außerhalb der Linkspartei tragen wir eine wichtige Verantwortung für die Weiterführung eines linken Erbes, welches über die Grenzen der traditionellen ArbeiterInnenbewegung hinausreicht und zu dem zahlreiche kritische Theorie- sowie praktische Handlungsansätze gehören. Die Idee einer Emanzipatorischen Linken bleibt aktuell und populär, was auch jüngere Prozesse innerhalb der Grünen zeigen.

Die nun mit breiter Beteiligung zu führende Programmdebatte der linken Partei ist zugleich die Notwendigkeit, sich als Emanzipatorische Linke darin deutlich zu Wort zu melden und die Debatte über ihre Grenzen hinaus zu tragen.

Deshalb möchten wir ein regelmäßiges Treffen (Gesprächskreis) initiieren, welches mit Debatteninterventionen und Öffentlichkeitsarbeit diesen Anspruch umsetzt. Zur Vorbereitung und Mitgestaltung dieses Prozesses laden wir Dich und Euch herzlich ein!

Vollständige Einladung auf der Ema.Li-Website.

3. November 2008

Yps ohne Gimmick

Die morgige Abwahl des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch wird nix: Neben der bereits bekannten Dagmar Metzger entdecken drei weitere Mitglieder der SPD-Landtagsfraktion einen Tag vorher ihr Gewissen und wollen nun doch nicht ihre SPD-Landes- und Fraktionsvorsitzende Andrea Ypsilanti zur Ministerpräsidentin mitwählen. – Die Quittung dürfte die zerstrittene hessische SPD bei den vermutlich nun anstehenden Neuwahlen erhalten.

31. Oktober 2008

15.11.08, Bremen: Das Bedingungslose Grundeinkommen und DIE LINKE

Das Bedingungslose Grundeinkommen und DIE LINKE
Anforderungen an die Programmatik der linken Partei

Diskussion mit Ronald Blaschke, Cornelia Barth, Peter Erlanson und Lieselotte Niemetz
Moderation: Norbert Schepers

Am Samstag, 15.11.2008, um 19.30 Uhr
Kommunikationszentrum Paradox, Bernhardstraße 12, 28203 Bremen

Die BefürworterInnen eines Bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) melden sich auch in der Programmdebatte der linken Partei zu Wort: Was folgt nach Hartz IV und Agenda 2010? Wie sollen künftig aus emanzipatorischer Sicht Sozialsysteme gestaltet werden? – Bei dieser Veranstaltung diskutieren BefürworterInnen eines BGE und AktivistInnen aus der Bremer LINKEN über Perspektiven der Grundeinkommens-Idee. Was wollen BGE-BefürworterInnen in die Programmdebatte der Linken einbringen? Was sind konkrete Forderungen für Wahlprogramme der LINKEN?

Mehr zur Veranstaltung auf der Website der Veranstalterin:
Landesarbeitsgemeinschaft Bedingungsloses Grundeinkommen (LAG BGE) in und bei der Partei DIE LINKE Bremen

Vor dieser Diskussionsveranstaltung findet um 16 Uhr am gleichen Ort die Mitgliederversammlung der LAG BGE unter dem Motto „Für eine starke Grundeinkommens-Bewegung“ statt. Auf der Tagesordnung steht die gemeinsame Diskussion und Verabschiedung einer Gründungserklärung sowie einer Satzung der LAG, ebenso Wahlen von SprecherInnen der LAG entsprechend dieser Satzung. Einladung siehe hier.

15. Oktober 2008

auf der suche nach der ästhetik des widerstandes

Heute in der Post:
Die zweite Ausgabe von »prager frühling« zum Verhältnis von Politik und Kultur

Mitte Oktober kommt die zweite Ausgabe von prager frühling, dem Magazin für Freiheit und Sozialismus. Das aktuelle Heft widmet sich schwerpunktmäßig dem Verhältnis von Politik und Kultur. Ziel der Redaktion ist es, politisches Engagement und Kultur einander näher zu bringen. Dabei geht es nicht um eine Kolonisierung des einen Bereichs durch den anderen.
Doch wie schrieb schon Heiner Müller so treffend: "Die Zeit der Kunst ist eine andere Zeit als die der Politik. Das berührt sich nur manchmal. Und wenn man Glück hat, entstehen Funken." Letztlich begibt sich »prager frühling« damit auch auf die Suche nach einer neuen Ästhetik des Widerstandes. Mit dabei: die Band Chumbawamba, der Kettcar-Sänger Marcus Wiebusch, die Schriftstellerin Juli Zeh, Chrinstina Kaindl, DJ Ipek, Christoph Spehr, Kai Burmeister und viele andere. – Und: feminism, baby! Yes, we can.

22. September 2008

digitale-demokratie.org: Vom Ende des Datenschutzes

Seit kurzem ist eine neue Website online: Digitale Demokratie – Politiken der Informationsgesesellschaft.

"Es geht um Demokratie im Internet, Möglichkeiten der politischen Organisierung im Netz und Methoden des Online-Wahlkampfs." – Das Projekt soll noch wachsen und thematisch breiter werden, aber für den bescheidenen Anfang habe ich dort zwei Fragmente mit Überlegungen zu Perspektiven des Datenschutzes anhand zwei verschiedener Texte gepostet.

Vom Ende des Datenschutzes

Im taz-Interview vom 19.09.08, Klassischer Datenschutz ist überholt, fordert "Trendforscher" Sven Gábor Jánszky neue Prämissen für den Datenschutz. Heutige Internetnutzung mit Online-Shopping und sozialen Netzwerken bestehe eben auch aus einem bewussten Umgang der UserInnen mit ihren Daten, die sie ganz freiwillig an vielen Stellen hinterlassen würden. Die entstehenden Datensammlungen bei den verschiedenen Unternehmen wären folglich ganz im Sinne der KundInnen, da diese so zielgerichtete Werbung sowie Rabatte erhielten. Jánszky sieht darin eine Form von Souveränität besonders der jungen Generationen.

Tatsächlich ist Jánszky in Bezug auf das Ende des klassischen Datenschutz insoweit recht zu geben, als dass diesem immer mehr die politische Basis fehlt. (Mehr…)

Vom Ende des Datenschutzes, Teil 2

Die These vom Ende des Datenschutzes (in seiner bisherigen Form) ist keineswegs neu:
Bereits vor 15 Jahren hat der Datenschutzexperte Jan Kuhlmann scharfsinnige und weitsichtige Überlegungen zur Zukunft des Datenschutzes unter dem Titel Ende des Datenschutzes angestellt; zuerst veröffentlicht in: Blätter für deutsche und internationale Politik Nr. 11/1993 (S. 1333-1346). Dort war natürlich noch nicht vom Web 2.0 die Rede, statt dessen wird die flächendeckende Ausbreitung von "elektronischen Kontroll- und Zuteilungssystemen" (u.a. sind deren prominentester Ausdruck die damals immer alltäglicher werdenden Smartcards aka Chipkarten) als eine Tendenz zur "sozialökologischen Rationierung" beschrieben. (Mehr…)

Hardt kritisiert Rückschritt bei globalisierungskritischem Aktivismus

Schönes Interview mit Michael Hardt (bekannt durch die Bücher "Empire", 2000, und "Multitude", 2004; mit Antonio Negri) in der heutigen tageszeitung: Die Finanzkrise ist der letzte Sargnagel [für die Großmachtfantasien der USA]. Hardt sieht das Ende des nationalstaatlichen Imperialismus besiegelt, "sie allein können keine globale Machtstruktur errichten. (...) Die Kosten des Irakkriegs und nun die Finanzkrise setzen der US-Politik sehr enge Grenzen. Der Glaube, dass die USA die Welt beherrschen könnten, ist obsolet".

Der hartnäckigen Frage von taz-Parlamentskorresponentin Ulrike Herrmann beim Interview am Rande des Europäischen Sozialforums in Malmö nach dem revolutionären Subjekt und ihrem Verweis auf den momentanen Abschwung der globalisierungskritischen Bewegung entgegnet Hardt:
Bewegungen funktionieren nicht nach der Logik: Je umfassender die Krise, desto gewaltiger der Zulauf. Die französische Revolution hat auch nicht in jenen Jahren stattgefunden, als der Hunger am größten war.
Und weiter mit treffenden Bemerkungen zur Krise der globalisierungskritischen Bewegung und einigen Ursachen:
Die sozialen Bewegungen sollten nicht versuchen, sich wieder ein einziges Programmziel zuzulegen, das von einer zentralen Parteiführung beschlossen und von einigen wenigen Rednern transportiert wird.
Das klingt ja, als würden sich die Globalisierungskritiker zu einer Art kommunistischen Internationale entwickeln.
Von 2003 bis 2006 war die Bewegung sehr zentralisiert, und vielleicht war es auch unumgänglich, sich nur noch auf den Irakkrieg und die Anti-Bush-Kampagnen zu konzentrieren. Aber gleichzeitig ging der Spaß verloren, die Freude am Experiment und an der Vielfalt.
Braucht eine Bewegung nicht einen klaren Gegner wie eben Bush?
Das war ein Rückschritt zu einer älteren Form des linken Aktivismus. Wieder wurde von der falschen Prämisse ausgegangen, dass die USA noch die globale Politik diktieren könnten. Dabei waren die Globalisierungskritiker zwischen 1999 und 2003 schon weiter und haben mit verschiedenen Gegnern experimentiert: WTO, EU, G 8, IWF, Weltbank. Das war eine sehr intelligente Form der Theoriebildung, wie die neue globale Struktur aussehen könnte: Die Macht ist heutzutage auf Knoten in einem Netzwerk verteilt.
Und wie geht es weiter?
Jetzt beginnt ein neuer Zyklus des sozialen Widerstands, nachdem Bushs Antiterrorkrieg gescheitert ist. Die Kreativität und die Lust an der Vielfalt sind zurückgekehrt. Der Widerstand gegen den G-8-Gipfel in Heiligendamm war da ein Anfang. (...)

15. September 2008

Literatur: 1968 in Osteuropa

Da meinte das „Neue Deutschland“ doch tatsächlich anlässlich des 40. Jahrestag der Niederschlagung des Prager Frühlings folgende Frage aufzuwerfen: „Prag '68: War die Intervention des Warschauer Paktes notwendig?“ – Die Frage nach der Notwendigkeit einer Intervention könnte auch so verstanden werden, dass die Rechtmäßigkeit derselben vorausgesetzt wird. Die Debatte über eine Notwendigkeit der Intervention in der ČSSR ist also die Auseinandersetzung um die Rechtfertigung dieses militärischen Eingriffs. Zur Beantwortung präsentierte das ND nicht nur ein entschiedenes Nein (aus der Redaktion des Magazins »prager frühling«), sondern auch eine strikte Befürwortung des Einmarsches. In dieser Befürwortung wird auf den konterrevolutionären Charakter des Prager Frühlings verwiesen und von Quellen gesprochen, die dies längst bewiesen hätten.

Angenehm anders – im Gegensatz dazu – die Aufarbeitung des Prager Frühlings in dem Ende August 2008 erschienenen Band „Die letzte Chance? 1968 in Osteuropa. Analysen und Berichte über ein Schlüsseljahr“, editiert von Angelika Ebbinghaus. Eingeflossen sind hier neue Forschungsergebnisse und Quellen, wie die seit 2006 freigegebenen Dokumente des ZK der KPdSU, die von einer internationalen Forschungsgruppe aufgearbeitet wurden. Stefan Karner erweitert auf dieser Grundlage den Einblick in Wahrnehmungen und Entscheidungen der Führung des Warschauer Paktes.
Weitere Beiträge des Bandes behandeln neben der Situation in der ČSSR auch diejenige in Polen, Ungarn, Jugoslawien, Rumänien und in der DDR und fragen jeweils auch nach Wirkungen des Prager Frühlings und der westlichen 68er-Bewegungen. Kurzum, für die notwendige Auseinandersetzung mit den Ereignissen im Jahr 1968 lohnt ein Rückgriff auf diese Neuerscheinung.

Der ebenfalls im Band vertretende Stefan Bollinger veröffentlicht zugleich eine interessante Monografie unter dem Titel „1968 – die unverstandene Weichenstellung“ und spürt den Wechselwirkungen in Ost und West nach.

Literatur:
Der von Angelika Ebbinghaus herausgegebene Band „Die letzte Chance? 1968 in Osteuropa. Analysen und Berichte über ein Schlüsseljahr“ ist kürzlich beim VSA-Verlag erschienen. Mehr unter www.vsa-verlag.de.
Von Stefan Bollinger erschien beim Karl Dietz Verlag „1968 – die unverstandene Weichenstellung“. Mehr unter www.rosalux.de.

Weitere Texte:
Zusammenstellung von aktuellen Artikeln Zum Ende des Prager Frühlings von Bernd Hüttner, dem Koordinator des Gesprächskreises Geschichte der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

20. August 2008

Die letzte Chance verpasst

Die Tageszeitung Neues Deutschland widmet am 21.08.2008 zum 40. Jahrestag der Intervention des Warschauer Paktes in der ČSSR und dem gewaltsamen Ende des Prager Frühlings ihre Debattenseite der Frage „Prag '68: War die Intervention des Warschauer Paktes notwendig?“

Aus meiner Sicht eine absurde Fragestellung, die ein klares Nein verdient. Meinen Beitrag unter dem Titel »Die letzte Chance verpasst« für die Debatte im morgigen ND gibt es vorab auf der Website des Magazins »prager frühling«.

Nachtrag:
Beim ND ist die "Sonderbeilage Prag 1968" hier online, viele der Artikel sind aber leider nur gegen Bezahlung verfügbar.

31. Juli 2008

Generalplan Ost im Haus der Wissenschaft

Die DFG beschäftigt sich mit ihrer Vergangenheit

Die Ausstellung "Wissenschaft, Planung, Vertreibung - Der Generalplan Ost der Nationalsozialisten" ist vom 17. Juli bis 12. September 2008 im Haus der Wissenschaft in Bremen zu sehen. Präsentiert werden Forschungsergebnisse, mit welchen die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) auch ihre Vergangenheit im Nationalsozialismus aufzuarbeiten sucht. Es soll dabei über die "enge Verbindung akademischer Forschung, rationaler Planung und Forschungsförderung im Dienste der nationalsozialistischen Eroberungs- und Vernichtungspolitik berichtet" werden.
In drei Abteilungen skizziert die Ausstellung die Vorgeschichte des Generalplans Ost, beleuchtet die Rolle der Wissenschaft sowie die Planungen für eine ethnische Neuordnung Osteuropas während des Zweiten Weltkriegs und wirft einen Blick auf die Realitäten von Umsiedlung, Vertreibung und Völkermord zwischen 1939 und 1945.
Generalplan Ost im Haus der Wissenschaft

Die Ausstellung ist auch online bei der DFG zu finden.
Wikipedia-Artikel zur DFG, bei den Weblinks finden sich auch weiterführende Hinweise zur Geschichte der DFG.

24. Juli 2008

Blog: Lafontaines Linke

Das Webmagazin »Wir & Sie«, initiiert vom Online-Journalisten Lorenz Matzat, hat leider sein Erscheinen eingestellt.

Einer der Mitautoren, Tom Strohschneider, ehemals stellvertretender Ressortleiter Inland bei der Tageszeitung Neues Deutschland und heute Redakteur bei der Wochenzeitung Freitag schreibt nun weiter in einem eigenem Blog:
Lafontaines Linke - Das Blog zum gleichnamigen Buch von Wolfgang Hübner und Tom Strohschneider, erschienen Ende 2007 im Karl Dietz Verlag Berlin (ISBN 978-3-320-02120-7).

Strohschneider beleuchtet im Blog wie im Buch in der Regel kenntnisreich als fleißiger Chronist die Entwicklung der Linkspartei, teilweise sogar täglich - empfehlenswert.

4. Juli 2008

09.07.08, Bremen: LINKE pro & contra Grundeinkommen

Im Rahmen seiner Mitgliederversammlung am 9. Juli diskutiert der Kreisverband „Mitte-Ost“ der LINKEN in Bremen über das Bedingungslose Grundeinkommen:
Mittwoch, den 09.07.2008, um 19:30 Uhr,
im Bürgerzentrum Vahr, Berliner Freiheit 10, 28327 Bremen.

Mit Axel Troost (MdB, Landessprecher der Bremer Linkspartei und Mitglied im Bundesvorstand) und Norbert Schepers (Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft Bedingungsloses Grundeinkommen in der Bremer Linkspartei).

29. Juni 2008

Willkommen, Darius

Seit Dienstag nachmittag (24. Juni, 14.30 Uhr) weilt Darius Alexander unter uns, wohlauf und sehr süß. Die üblichen Maße: 3760 g, 55 cm. 

Fotos aus den ersten Tagen gibt es auf meiner .Mac-Seite.
Das Bremer Krankenhaus St. Joseph-Stift hat in seiner Babygalerie ein Bild vom 2. Tag.

6. Juni 2008

Hingehen: IdentityCamp Bremen, 7./8. Juni

Der Bremer Veranstaltungstip für dieses Wochenende: IdentityCamp Bremen.
Das Identitycamp Bremen wird das erste Barcamp in Deutschland speziell zum Themenbereich Identity 2.0, Single-Sign-On, Reputationsmanagement, Beziehungsmanagement, Privacy 2.0 und Verwandtes sein.

Klingt vielleicht etwas nerdig (Erklärungen finden sich auf der Website), aber vielversprechend und mit interessanter Teilnehmendenliste.
Ort: Speicher XI/Hochschule für Künste, Bremen

Ich wäre gerne kommen, trotz Armutskonferenz und Gründung der LAG Grundeinkommen am Samstag. Irgendwann ist es aber auch mal zuviel ... Christoph treffe ich dann später, hoffentlich.

19. Mai 2008

Armut und Reichtum

Armutsbericht: 13 Prozent der Deutschen sind arm
Nach längerer Verzögerung wird laut gestriger AFP-Meldung die Bundesregierung heute endlich den Armuts- und Reichtumsbericht vorlegen.
Die Kluft zwischen Arm und Reich hat sich in Deutschland weiter vertieft: Jeder Vierte hierzulande ist nach dem neuen Armuts- und Reichtumsbericht mittlerweile von Armut betroffen oder muss mit staatlicher Hilfe vor Armut bewahrt werden, wie Bundessozialminister Olaf Scholz (SPD) der "Bild am Sonntag" sagte. Die Bundesregierung will den Bericht am Montag vorstellen. 13 Prozent der Bundesbürger gelten demnach als arm, weitere 13 Prozent würden durch Leistungen wie Kinder- oder Arbeitslosengeld vor dem Abrutschen in die Armut bewahrt. (...)

Am schlimmsten sei die Lage für Langzeitarbeitslose sowie für Alleinerziehende und deren Kinder. Besonders bedrücke ihn, dass auch die Zahl derer, die arbeiteten und trotzdem von Armut bedroht seien, größer geworden sei, sagte Scholz. "Das zeigt: Wir haben zu niedrige Löhne in Deutschland, und wir brauchen Mindestlöhne." "Wenn es die Sozialtransfers wie Arbeitslosengeld II, Wohn- oder Kindergeld nicht gäbe, dann hätten wir statt 13 Prozent 26 Prozent Arme", fügte er hinzu. (...)

Dazu ein etwas älteres Zitat:
„Denn wer da hat, dem wird gegeben werden, dass er Fülle habe; wer aber nicht hat, von dem wird auch genommen, was er hat.“ Matthäusevangelium 25,29; zitiert nach Wikipedia

Nachtrag:
Armutszeugnis ist eine der beliebtesten Kommentierungen der Ergebnisse dieses Berichts, so z.B. bei Attac:

Scholz legt Armutszeugnis für neoliberale Politik vor
Attac: Solidarische Umverteilung statt Steuersenkung für alle

Zudem fordern die Globalisierungskritiker die Einführung eines angemessen gesetzlichen Mindestlohns und ein ausreichendes Mindesteinkommen deutlich über den derzeitigen Hartz-IV-Sätzen für alle Menschen - auch wenn sie nicht arbeiten. "Die Möglichkeit zu gesellschaftlicher Teilhabe ist ein Menschenrecht, das sich nicht niemand erst verdienen muss. Hartz IV muss weg", stellte Ronald Blaschke, ebenfalls Mitglied im Attac-Koordinierungskreis, klar.

17. Mai 2008

15. Mai 2008

"Die doppelte Linkspartei"

Anlässlich des kommenden Bundesparteitages der Partei DIE LINKE vom 24. bis 25. Mai in Cottbus kommentiert Albert Scharenberg in den Blättern aktuelle Auseinandersetzungen um die strategische Ausrichtung der Linkspartei.
Kern des Streits ist also offensichtlich der Umstand, dass es sich immer noch um zwei Parteien handelt. Aus Angst vor weiteren Zerwürfnissen in der vereinigten Partei werden sämtliche Konflikte nach wie vor unter den Teppich gekehrt. Dadurch aber drohen die beiden Teil-Parteien noch weiter auseinanderzudriften. (...)
Dabei sollten der Weg der Grünen und ebenso der Weg ihres ehemaligen Fundi-Flügels als Warnung dafür dienen, dass die Linke (die ja wesentlich breiter ist, als die gleichnamige Partei suggeriert) weder einen bloßen Steigbügelhalter für eine Schröder-SPD noch eine fundamentalistische Gesinnungspartei benötigt. Man muss schon anhand der Inhalte und der jeweils konkreten Bedingungen entscheiden, welchen Kurs man verfolgen will.
Dass der Parteitag diese zentralen Fragen wieder einmal weitgehend ausklammert, ist allerdings kein gutes Omen.
In: Blätter für deutsche und internationale Politik, Nr. 05/2008

Zwei Bremer Konferenzen

Die Fraktion DIE LINKE in der Bremischen Bürgerschaft veranstaltet im Juni zwei Konferenzen zu wichtigen Themen der Linken.

Armut:
„Armut Macht Reichtum - die Armutskonferenz in Bremen“
Samstag, 7. Juni 2008, von 10.30 bis 17.30 Uhr im Waldau-Theater, Waller Heerstraße 165, 28219 Bremen
Direkt im Anschluss an die Armutskonferenz soll am gleichen Ort die Gründung einer Landesarbeitsgemeinschaft Grundeinkommen der Linkspartei Bremen stattfinden (s.a. Bundesarbeitsgemeinschaft Grundeinkommen, Netzwerk Grundeinkommen).
Katja Kipping, Vize-Parteivorsitzende und Sprecherin für Sozialpolitik der Bundestagsfraktion DIE LINKE, wird diese Veranstaltung mit einem kurzen Beitrag eröffnen.
Näheres auf der Website der LAG-BGE Bremen.

Migration:
„Hier sind wir zuhause. MigrantInnen in Bremen“
Samstag, 14. Juni 2008, von 13.00 bis 18.30 Uhr im Haus der Bremischen Bürgerschaft, Am Markt 20, 28195 Bremen
  • Ich freue mich besonders, dass für das Programm dieser Konferenz Vassilis Tsianos von Kanak Attak zugesagt hat, u.a. sind auch Reyhan Şahin und Mark Terkessidis angefragt.

10. Mai 2008

Links-Grün reloaded

Neues von den »Grünen Linken«:
Auf Initiative von u.a. Robert Zion, von einigen liebevoll der »Parteitagsrebell von Göttingen« genannt, kursiert die Erklärung »Links-libertär« (hier zum Download im frisch installierten Blog von Zion). Hinter diesem Aufruf sollen sich in diesem Frühjahr 500 Grüne versammeln - was weiter passieren soll, wird bislang offen gelassen.

Sympathisch:
Wir sind nicht mehr länger die Generation X, die den Partei- und Wirtschaftsführern zuruft: „Here we are now, entertain us“ (Nirvana). Wir waren schon bei den Ärzten und sind immer noch für Visionen. Aber das ewig uneingelöste Versprechen der Vollbeschäftigung haben wir nicht mehr anzubieten. (...)

Was wir anzubieten haben, ist Freiheit und Solidarität. Nein, ein solidarischer Individualismus ist keine Widerspruch, wir sind der Überzeugung, dass es eine Gesellschaft geben kann, “worin die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist“ (Karl Marx, 1848). Und darum nennen wir einen Krieg immer noch einen Krieg und halten Armut und Ausgrenzung immer noch für einen Skandal; darum sind wir aus Überzeugung emanzipatorisch und links, was für uns dasselbe ist. (...)

Was also, wenn nicht links? Weil wir wissen, dass der Ethos einer Gesellschaft sich daran bemisst, wie diese mit ihren Geringsten und ihren natürlichen Lebensgrundlagen umgeht, sind wir Wertkonservative. Weil wir wissen, dass die Menschen- und Bürgerrechte ohne die Garantie einer materiellen Basis nur leere Ideale bleiben, sind wir Menschen- und Bürgerrechtsliberale. Und eben weil wir wissen, dass die Zufälle des Marktes und der Herkunft solche Ungleichheiten und Ausgrenzungen schaffen, sind wir Linke. (...)
Einiges ähnelt der Emanzipatorischen Linken, welche aus der Linkspartei entstanden ist, bis hin zum obigen Marx-Zitat zum Verhältnis von Aneignung von Produktionsbedingungen und Verfügungsgewalt über das eigene Leben. Tatsächlich nennt sich der links-grüne Zusammenhang inzwischen sogar "Grüne Emanzipatorische Linke", zumindest laut Logo (siehe oben).

Zion schreibt begleitend zum Aufruf:
Wir sind kein Flügel, wir sind das Massezentrum der Partei, das diese auf den Boden ihrer Visionen zurückholt.
Viel Erfolg, von ganzem Herzen!

1. Mai 2008

Nicht so possierlich wie es scheint ...

"Nicht so possierlich wie es scheint", sagt selbstironisch die Interventionistische Linke über sich mit Bezug auf ihr neues Wappentier, den Iltis. In der IL versammelt sich eine Strömung der undogmatischen radikalen Linken, welche sich schon in den Neunzigern um die Organisationsfrage als eine Konsequenz aus der Selbstkritik der Autonomen der Achtziger bemühte. Diesmal mit mehr Erfolg, zumindest eingedenk der Rolle, welche die IL als Akteurin bei den G8-Protesten 2007 spielen konnte.

... aber auch nicht so flink, wie man meint?

Konsequenterweise gehen solche Prozesse in diesem eher organisationskeptischen Spektrum nicht so flott voran, wie manche wünschen. Daher hat die kürzliche Arbeitskonferenz der IL auch eher dazu gedient, viele inhaltliche, strategische und organisatorische Fragen erstmal anzureissen, und nicht gleich auch zu beantworten.

Unter dem Titel Kurz & nicht bündig findet sich eine erste Einschätzung zum Marburger Treffen, etwas allgemein gehalten aber durchaus treffend. Anfang Juli geht es weiter.

BILD meets taz

Die Bundestagsfraktion DIE LINKE hat seit einiger Zeit eine eigene BILD-Zeitung, die "Klar". Die Debatte, ob diese "LINKE.BILD" eine angemessene Form der "Zielgruppenansprache" ist, überspringe ich hier mal zugunsten der Berichterstattung über folgende Obszönität:

Am gestrigen 30. April wurde in Berlin die Umbenennung eines Teils der Kochstraße in die "Rudi-Dutschke-Straße" gefeiert, initiiert u.a. von der tageszeitung. Die politischen Auseinandersetzungen um die Ehrung der 68er-Ikone spiegelten auch unmittelbar historische Fronten wider: Vorneweg beim Kampf gegen Dutschke war auch diesmal wieder die Axel Springer AG, deren BILD-Zeitung vor vierzig Jahren das letztlich tödliche Attentat auf Dutschke mit herbei schrieb. Die Kochstraße ist auch deshalb ein historischer Ort, da hier vor dem Springer-Firmensitz nach dem Attentat die Auseinandersetzungen mit der Medienmacht des Springer-Verlags unmittelbar praktische Formen annahm, z.B. im Versuch, die Auslieferung der BILD zu verhindern. Ein weiteres Resultat dieser Auseinandersetzungen war auch die spätere Gründung der taz.

Der die Frühstückslaune verderbende Anlaß fiel mir nun aus selbiger taz eben an diesem schönen Datum entgegen: Als Beilage die jüngste Ausgabe der linken BILD-Zeitung "Klar". Während Linke einen zumindest symbolischen Sieg über Springer feiern, wedelt DIE LINKE mit einer Art von BILD-Zeitung im Gesicht einer BILD-kritisch eingestellten LeserInnenschaft herum. Dabei von Fettnäpfchen zu sprechen, schiene mir verharmlosend.

Das Widerwärtige an dieser Werbeidee ist für mich nicht zuerst der Missgriff der Werbestrategen der Linksfraktion in Bezug auf die "Zielgruppenansprache"; die mit dem Konzept der "Klar" anvisierte Zielgruppe dürfte in der LeserInnenschaft der taz deutlich gegen Null tendieren. Diese mehrfache Deplatziertheit: Ist es noch gesteigerte Ignoranz oder schon bewusste Provokation?

Da Obszönität ja auch ein Mittel von Protest sein kann, bleibt die Frage, ob die Linksfraktion mit dieser fragwürdigen Werbeaktion gegen die taz, gegen Rudi Dutschke, oder gegen "1968" ganz allgemein protestieren wollte... Oder ist dies gar ein subversiv gemeinter Protest gegen eigene, hier offenbar gewordene Geschichtsvergessenheit?

Zur BILD-Zeitung lohnt immer ein Blick ins bekannte BildBlog, zur "Klar" findet sich dort allerdings noch nichts.

1. April 2008

Zum drauf freuen: Magazin prager frühling

Wie ich bereits hier verriet und zuvor andeutete:
Am 16. Mai 2008 erscheint ein neues politisches Magazin, an welchem ich mitwirke.

Logo Magazin prager fruehling

prager frühling
Magazin für Freiheit und Sozialismus


[Update:] Ab sofort ist auf der Website des Magazins unter www.prager-fruehling-magazin.de mehr zu erfahren: Vorschau auf die Erstausgabe, Redaktionsblog, exklusive Artikel. Bestellungen werden bereits entgegen genommen!

Das Magazin »prager frühling« erscheint als Dritteljahresschrift im VSA-Verlag und wird vom Verein »Freundinnen und Freunde des Prager Frühling e.V.« herausgegeben. Redaktion: Katja Kipping, Lena Kreck, Kolja Möller, Norbert Schepers, Jörg Schindler.
Mit »prager frühling« ist Stalinismus, bornierter Avantgardismus und Strickjäckchenspießertum nicht zu machen.
Das klingt so gut, dass sofort die ersten Abos bestellt wurden ...

26. März 2008

Third Wave Feminism

... und dessen verspätete Übersetzung als "Popfeminismus". Tara Hill gibt in dem Artikel "Die dritte Welle" einen kurzen Überblick.
Die Autorin bringt es mit einem Zitat einer der Praktikerinnen, Lady Bitch Ray, etwas zugespitzt auf den Punkt:
»Du hast einen Grund zum Feiern: Du hast eine Möse und Du bist eine Frau, die weiß, was sie will. Stehe dazu, Bitch!« Das erste der »Zehn Gebote des Vagina Styles« von Lady Bitch Ray zeigt die Generationsunterschiede zwischen den Feministinnen: Hier die 27 Jahre junge, deutsch-türkische »Porno-Rapperin«, da die entsetzte Reaktion feministischer Vertreterinnen, die von 1968 schwärmen.

Siehe Jungle World 12/2008.

24. März 2008

God shave the Queen

Einer der Gründe, warum der Schauspieler Sean Connery mitunter recht lustig sein kann: sein schottischer Akzent. Also DVD einlegen und englischen Originalton wählen, das klingt dann so: "God shave the Queen".
Gesagt hat Connery tatsächlich "God save the Queen" – nur um gleich darauf noch festzustellen, "That's about as patriotic as it gets around here" (siehe League of Extraordinary Gentlemen, 2003).

14. März 2008

Gibson über Obamas Transzendenz

Der Autor Willam Gibson, Erfinder des Begriffs Cyberspace und einer der Begründer des legendären Cyberpunk-Genres, im Interview mit Ulrich Gutmair in der taz vom 14.03.2008:

"Obamas Transzendenz"

William Gibsons Roman "Quellcode" handelt von der Angst. Der Erfinder des Cyberspace über die Renaissance der Apokalypse, YouTube und die US-Vorwahlen.


(...) Ich glaube, er denkt tatsächlich, dass die Regierung dafür da ist, den Leuten zu dienen und sie zu beschützen, und dass sie eben nicht in den Händen verrückter Apokalyptiker liegen sollte.

Auch bei den Demokraten scheinen die Rollen diesbezüglich klar verteilt. Clinton steht eher für die Idee, die Institutionen seien verbesserbar, während Obama der charismatische Typ ist, der vom Licht spricht, das von oben kommen wird, wenn er erst Präsident ist.
In gewisser Hinsicht predigt Obama Transzendenz: "Yes, we can." Das heißt aber nicht notwendigerweise, dass Obama ein schlechterer Präsident als George W. Bush sein würde. Ich glaube, dieser Verweis auf Transzendenz ist ein Teil der kulturellen Erfahrung Amerikas. Es braucht immer eine besondere Art von Dunkelheit, um sie zum Vorschein zu bringen, meist ist auch ein Generationswechsel im Spiel. Das Wettrennen zwischen Clinton und Obama wird in 25 Jahren nicht anhand von Hautfarbe oder Geschlecht bewertet werden, sondern unter dem Gesichtspunkt des Alters. Wenn Obama nämlich dieses Rennen gewinnen und zum Präsidenten gewählt werden sollte, dann wird er von Leuten gewählt worden sein, die sehr jung sind. Bei diesen demokratischen Vorwahlen haben sich so viele Leute wie nie zuvor beteiligt. Es ist nicht so, dass die Sixties wiederkommen, Gott bewahre, aber vielleicht ist es eine neue Version davon. Das hat wiederum viel mit dem zu tun, worüber Norman Cohn schreibt.

Letzteres bezieht sich auf ein Buch über apokalyptische Bewegungen im Mittelalter, mit welchem "sich auf wunderbare Weise unsere Gegenwart verstehen" ließe. - Vielleicht ist ein Charismatiker wie Obama tatsächlich die notwendige Alternative nach der Herrschaft der Apokalyptiker in den USA.

William Gibsons jüngstes Buch Spook Country erschien im Herbst 2007, vor kurzem auf deutsch als "Quellcode" (LektorInnen haben mitunter seltsame Einfälle).

Für eine Linke, die dazwischen geht

Die Interventionistische Linke (IL), ein bundesweiter Zusammenschluss von Einzelpersonen und Gruppen aus der undogmatischen und post-autonomen Linken, war bei den G8-Protesten 2007 ein zentraler Akteur und hat in der Heiligendamm-Mobilisierung ein deutliches Zeichen setzen können. Die IL ist quasi Ausdruck einer "aufgeklärten radikalen Linken" und setzt im Gegensatz zum Nischensektierertum auf eine strategische Bündnisorientierung, die die Zusammenarbeit mit anderen Strömungen der gesamten Linken nicht nur für konkrete, kurzfristige Projekte anstrebt, sondern als Voraussetzung für die Schaffung gesellschaftlicher Gegenmacht ansieht. Zitat von einem der Akteure: "Aus dem gleichen Grund ist die IL auch kein Ansatz zur Gründung einer weiteren, parteiförmigen Organisation in Konkurrenz zu bereits bestehenden, sondern ein offenes Projekt, das sich durch Intervention in praktische Kämpfe entwickeln soll."

Offene Arbeitskonferenz der Interventionistischen Linken vom 25.- 27. April 2008 in Marburg, siehe Einladung:
Die 2. Offene Arbeitskonferenz ist offen für alle Menschen und Gruppen, die neugierig auf die Interventionistische Linke sind und sich vorstellen können, an dem Prozess der Organisierung unserer Strömung teilzunehmen. Die Teilnahme verpflichtet zu nichts – außer zur Bereitschaft zur offenen und solidarischen Diskussion.

Fein. Nur, warum in Marburg?

2. März 2008

"Das ist nicht mal in mir selbst entschieden"

Die taz brachte hintereinander zwei intelligente Artikel zu den Koalitionsoptionen der SPD nach der Landtagswahlen.

Macchiavelli & Ypsilanti
von Micha Brumlik in der taz vom 29.02.2008
Brumlik stellt in seinem Kommentar Reflexionen über Wortbruch, politische Moral und "Treue im Versprechen" (Kant) an - nur mit Ersterem scheint es Andrea Ypsilanti in Hessen möglich zu sein, noch zu einem Regierungsbündnis zu kommen.
Sowohl Kurt Beck als auch ganz besonders Andrea Ypsilanti haben in geradezu unheimlicher Weise bewiesen, wie recht Kant hat. So hat sich die sympathische hessische Spitzenkandidatin als moralische Person bereits aufgegeben. Keine böse Nachrede ist es, dass sie auf Fragen nach ihrer Bereitschaft, sich eventuell mit Stimmen der Linkspartei zur Ministerpräsidentin wählen zu lassen, gesagt hat: "Das ist nicht mal in mir selbst entschieden." Andrea Ypsilanti sagte nicht etwa: "Das habe ich noch nicht entschieden", sondern, und man muss sich ihre Aussage auf der Zunge zergehen lassen: "Das ist nicht in mir entschieden." Die Kandidatin als Hohlraum, in dem irgendwelche anonymen Prozesse vor sich gehen. Indem sich Frau Ypsilanti als verantwortliche und entscheidungsfähige Person vor laufenden Kameras zerstört und so für das Land Hessen erhebliche Entscheidungen unbelangbaren Instanzen, die mit ihrer Person nicht identisch sind, überlassen hat, begab sie sich sogar des Restkapitals einer "verantwortungsethischen" Politikerin. Denn sogar von Personen, die sich an Macchiavellis "Principe" orientieren, wäre doch wenigstens zu erwarten, dass sie ihre Entscheidungen selbst treffen und zu deren Folgen stehen.

Man mag ergänzen: Warum sollte sich die Linkspartei zu dieser Selbstzerstörung dazu gesellen? Aus dem Versprochenen folgte die Abwahl von Herrn Koch im Landtag, Frau Ypsilanti würde Ministerpräsidentin, aber es gäbe keine Koalition der LINKEN mit Rot-Grün (was alle Seiten ja auch nicht wollten). Wir erinnern uns: Zu den vor der Wahl durch Ypsilanti u.a. ausgeschlossenen Dingen gehörten desweiteren auch sowohl eine Minderheitenregierung wie eine große Koalition - die Liste der verbliebenden Optionen für die SPD ist extrem kurz und man kann sich fragen, ob hier auf Neuwahlen gepokert wird, für welche SPD und Grüne hoffen, eine Schuldzuweisung dafür bei FDP und LINKEN abzuladen, um dann ihren Poker vom letzten Mal zu wiederholen: Blindes Hoffen, das sie die LINKE aus dem Landtag halten können, damit es für Rot-Grün reicht. - Auch hier droht der Running Gag, “solange abstimmen lassen, bis das Ergebnis stimmt”, bittere Realität zu werden. Nebenbei scheinen die ProtagonistInnen von Rot-Grün auch konsequent auszublenden, dass es ohne DIE LINKE im Hessischen Landtag bereits eine Schwarz-Gelbe Koalition gäbe. - Mit dem Fünf-Parteien-System gilt nun bisweilen auch: Wer am Ende nicht die CDU als Regierungspartei haben will, darf Rot & Grün erst gar nicht wählen, zumindest nicht in Hessen und Hamburg.

"Der Linkskurs ist nicht gefährlich für die SPD"
Interview mit Franz Walter in der taz vom 01.03.2008
Parteienforscher Franz Walter hält den Kurswechsel von SPD-Chef Beck in Richtung Die Linke für richtig - nicht aber die an Schröders Politikstil erinnernde Art.

PS.
Zum Zitieren unkomfortabel: Die Titel und Aufmacher der Online-Ausgabe weichen mal wieder von der Print-Fassung ab. Was denken sich die RedakteurInnen eigentlich dabei?

27. Februar 2008

Ein neues Volkszählungsurteil?

Das Bundesverfassungsgericht hat heute die Änderung des nordrheinwestfälischen Verfassungsschutzgesetz (zwecks "Online-Durchsuchung") als mit dem Grundgesetz unvereinbar zurückgewiesen und in seiner Begründung ein neues Grundrecht festgestellt:

Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität von Informationssystemen
Siehe Pressemitteilung BVerfG, Leitsätzsätze des Urteils

Leider hat das Bundesverfassungsgericht Online-Durchsuchungen trotzdem unter strengen Auflagen erlaubt, damit ist der "Bundes-Trojaner" noch nicht abgewendet.
Mehr in der ausführlichen Berichterstattung bei netzpolitik.org von Markus Beckedahl.
Kurze Einschätzung: Schön, dass wir jetzt ein “Computer-Grundrecht” haben, was an das digitale Zeitalter angepasst ist. Das war längst überfällig. Welche Auswirkungen es hat und wie man es genau ausgestalten kann, wird die Zukunft zeigen. Es wäre natürlich schöner gewesen, das Bundesverfassungsgericht hätte das Grundrecht mit weniger Schrankenregelungen ausgestaltet. Es wird sich zeigen, ob und wie trickreiche Sicherheitspolitiker damit umgehen werden.

Markus Beckedahl verweist auch auf ein Statement von Andreas Bogk vom CCC und Sachverständiger beim Bundesverfassungsgericht:
“Daß die das NRW-Gesetz kippen, war klar, daß sie so klar und deutlich sagen, daß es ein Grundrecht auf Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme gibt, ist sehr erfreulich, und hat in etwa die Tragweite des Volkszählungsurteils.”


Die liebenswerten Öko-Prolls vom CCC ("Kabelsalat ist gesund") bieten in ihrer kämpferischen Pressemitteilung die richtige Perspektive:
"Der Bundestrojaner wurde zwar regelrecht notgeschlachtet, doch weitere wichtige Grundrechtsentscheidungen stehen an. Wir erwarten jedoch nicht, dass Schäuble und Wiefelspütz plötzlich die Verfassung ernst nehmen. Das neue Grundrecht wird erst durch aggressive Verteidigung und Anwendung lebendig, hier sind wir alle gefragt", so Dirk Engling.


Mal was anderes als Koalitionspekulationen.

Koalitionsspekulationen: Grün lackierter Großstadtkonservatismus?

Die allgemeine Koalitionsspekulationswelle nach den jüngsten Landtagswahlen richtet sich nun natürlich auf Hamburg und die Option einer ersten Schwarz-Grünen Landesregierung. Das ist tatsächlich wesentlich interessanter als die SPD, die über Herrn Becks "Linksschwenk" streitet, und Frau Ypsilantis angestrengtes Nachdenken, ob sie sich tatsächlich zur hessischen Ministerpräsidentin wählen lassen will - inzwischen definitiv ohne die FDP.

Auch die Grünen quälen sich seit der Hessen-Wahl mit der Gretchenfrage "Wie hälst Du es mit den Linken?", siehe auch hier sowie hier noch eine Minderheitenmeinung. - Der Parteienforscher Franz Walter steuert wie immer einen intelligenten Kommentar bei und fragt mit Bezug auf die mögliche schwarz-grüne Regierungsbildung "Denn was tut die Union, wenn ihr ein wichtiges Feindbild abhanden kommt - und was die Grünen, wenn die Wähler fliehen?": Riskanter Flirt der verwandten Seelen. Allerdings, trotz einer gewissen Angleichung der Partei-Milieus mögen sich die jeweiligen WählerInnengruppen einander nicht so recht:
Da würde in der Tat einiges zusammengehen. Und doch müssen beide Parteien aufpassen. Bei einem schwarz-grünen Versuch in Hamburg würden der Union allmählich die politischen Gegner verlorengehen, zumal sie ja schon in fünf Bundesländern und im Bund selbst mit dem traditionellen sozialdemokratischen Gegner im Bündnis stehen. Ganz ohne Feindbild aber kommen politische Gemeinschaften nicht aus. Denn der Feind schärft die eigene Identität, stiftet im Inneren Zusammenhalt und fördert Mobilisierungsenergie nach außen. Gerade die CDU/CSU weiß um diese Zusammenhänge.
Und auch für die Grünen ist eine Allianz mit der Union nach wie vor prekär. Denn die Partei lebt seit Jahren in ihren Erfolgen von den Wählern aus dem Zwischenbereich zur SPD. Für die, aber auch für etliche der genuinen Kernwähler der Grünen war die Ablehnung der "Konservativen" biographisch konstitutiv, prägend in den Jahren der eigenen politischen Sozialisation. Im Übrigen mögen gerade die allerjüngsten Wähler das schwarz-grüne Modell nicht, wie im Vorfeld der Hamburg-Wahlen sorgfältige Erhebungen illustrierten.
Schwarz-Grün könnte also für kräftige Wählerwanderungen sorgen – fort von der Partei der Frau Künast und des Herrn Kuhn.


Die grüne Parteirätin Julia Seeliger hat sich in der Hamburg-Frage selbst Zurückhaltung auferlegt, dafür wird in den Kommentaren ihres Blogs umso fröhlicher losspekuliert. Die Debatte erinnerte mich ein wenig an die Bremer Grünen Anfang der Neunziger und die erste Ampel-Koalition, weswegen ich mich mit folgenden Gedanken am Kommentieren beteiligt habe:

Am Ende der Bremer Debatte wurde massiv damit argumentiert, dass man die Ampel dringend brauche, gerade wegen dem bundesweiten Signal - also um zu beweisen, dass die Grünen mitregieren können (da ja die nächsten Wahlen in Sichtweite seien etc.), auch grade weil zu der Zeit kaum irgendwo klare Mehrheiten für Rot-Grün in greifbarer Nähe waren. Was nicht ganz so verschieden von der heutigen Situation ist, wenn auch mit inzwischen verändertem Parteiensystem.
Die erwähnte Argumentation erlebte ich übrigens auf dem zweiten Landesparteitag der Bremer Grünen, welcher über den vorliegenden Koalitionsvertrag abstimmte, ein erster hatte sich bereits dagegen entschieden und der alte Running Gag, “solange abstimmen lassen, bis das Ergebnis stimmt”, wurde zur bitteren Realität.
Bei Teilen der Grünen gibt es nun einige recht optimistische Hoffnungen auf ein sehr weit gehendes Entgegenkommen der CDU gegenüber ihrer Partei bei den kommenden Hamburger Koalitionsverhandlungen, begründet mit einem Interesse der Union, so ihre Koalitionsoptionen bundesweit zu erweitern.
Dagegen fürchte ich, dass seitens der CDU keineswegs "massive Zugeständnisse" zu erwarten sind. Schliesslich ist es mit dem für die CDU unterstellten Gewinn an Handlungsoptionen nicht ganz so einfach: Auch diese Partei hat eine Basis, deren kulturelle Vorbehalte möglicherweise in Teilen noch heftiger ausfallen als bei den Grünen (siehe auch Franz Walter). Da ändern lokale Kooperationen m.E. in der ganzen Breite der Partei nur bedingt etwas dran (siehe Mitgliederstruktur der Unionsparteien) und schließlich waren die Grünen für die Mehrzahl der CDU-Mitglieder noch vor etwa fünfzehn Jahren (wenn nicht noch wesentlich länger) etwas ähnlich Schlimmes wie bis vor kurzem die PDS. Genauso schwer dürfte vor diesem Hintergrund das taktische Problem für die Unionsspitze wiegen: Kann die Union die SPD im nächsten Bundestagswahlkampf noch genauso effektiv des Einknickens gegenüber den “roten Socken” bezichtigen, wenn sie den ehemaligen “Ökospinnern” gerade erst wesentliche Zugeständnisse gemacht hat? Sonst wird das womöglich wieder nichts mit Schwarz-Gelb…
Damit kein Missverständnis aufkommt: Das alles wird die Hamburger CDU nicht zwingend vom Koalieren abhalten, aber auch nicht gerade dazu bringen, sehr großzügig gegenüber den Grünen zu sein. Deshalb auch mein obiger Verweis auf die Bremer Geschichte, so als kleine Aussicht, was einem/einer so blühen kann, bis ein unbeliebter Koalitionsvertrag durchgepeitscht ist.
Meine These wäre: Wesentliche Zugeständnisse sind nur im Bereich Umwelt zu erwarten, das Thema ist (in aller Allgemeinheit) schliesslich im Konsens der BRD angekommen und hiervon erhofft sich die CDU auch eine Modernisierung ihres Images. Gerade beim Bereich Inneres wird die CDU sich gar nichts wegnehmen lassen wollen, dafür dürfte die Erinnerung an den Erfolg der Schill-Partei noch zu frisch sein…
Ansonsten vermute ich, dass das beliebte Argument der Erweiterung von Koalitionsoptionen eher eines aus grüner Sicht und aus grünem Bedürfnis ist. Dies bedeutet, dass es für die CDU wesentlich weniger handlungsleitend ist, da dieses Argument für die Unionsparteien die Probleme des Fünf-Parteien-Systems ja nicht wirklich auflöst: Grün statt Gelb als Partnerin gereicht wohl weder auf Bundesebene noch in den meisten Landesparlamenten der Union zu mehr Machtoptionen, außer in einer Erweiterung zu Schwarz-Gelb-Grün, welche aber neue Probleme bringt und vermutlich eher ein Ausnahmefall bliebe. Die Jamaika-Debatte ist ja nach der Bundestagswahl 2005 bereits ausführlich aufgeführt worden und ich kann immer noch nicht recht erkennen, was speziell die Grünen bei dieser Koalition nachhaltig zu gewinnen hätten.
(Nebenbei ist mir völlig schleierhaft, wie die Grünen in dieser Konstellation, sprich mit dieser FDP, die Bürgerrechte hochhalten wollen.)

Apropos Jamaika: Franz Walter hat 2006 den lesenswerten Essay-Band "Träume von Jamaika" bei Kiepenheuer & Witsch veröffentlicht. Sein Rezensent Jürgen Rüttgers fasst Walters Schlussfolgerungen aus dem titelgebenden Essay bei SpOn so zusammen:
Allerdings gibt Walter völlig zu recht zu bedenken: Jamaika wäre eben nicht nur die "Wiedervereinigung des kulturell zerfasernden Bürgertums" – es wäre für ihn auch die "politische Kriegserklärung der gesellschaftlichen Beletage an die Souterrains der Nation". Daran aber hat – das weiß der Rezensent sehr genau – zumindest die CDU als christlich geprägte Volkspartei kein Interesse – und deshalb liegt Jamaika wohl doch bis auf weiteres in der Karibik.

16. Februar 2008

Ludger Volmer: Der grüne Super-GAU

Die Landtagswahlen von Hessen und Niedersachsen – der grüne Super-GAU

Ludger Volmer, Mitbegründer der Partei „Die Grünen“ (1991-1994 Parteivorsitzender, 1998-2002 Staatsminister im Auswärtigen Amt; lehrt inzwischen als Politikwissenschaftler am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin), rechnet nach den Landtagswahlen vom Januar mit dem Kurs seiner Partei ab und mahnt "notwendige Reflexionen" an. – Das verdient ausführliches Zitieren:
Das Hauptproblem liegt m.E. aber darin, dass der grüne Grundwert „sozial“ bis zur Unkenntlichkeit verblasst ist. Es rächen sich heute – und das war voraussehbar – strategische Fehlentscheidungen von vor 10-15 Jahren: nämlich die Partei von einer sozial-ökologischen in eine ökologische Bürgerrechtspartei umzumodeln.

Solange ich für die Gesamtentwicklung der Partei Verantwortung trug – vom Ende der 80er bis Mitte der 90er Jahre – war mir klar, und ich versuchte dies auch als Linie der Parteiführung zu implementieren: eine Ausweitung der PDS nach Westen muss unbedingt verhindert werden! Das war eine strategische Entscheidung. Ein politischer Wille. Er motivierte sich aus der Einschätzung, dass die Westausdehnung der PDS den Grünen die Bedeutung nehmen würde. Inhaltlich, weil die Linke in der sozialen Frage entschiedener auftreten würde; strategisch, weil sie die von der SPD enttäuschten Protestwähler auffangen würde; und kulturell, weil sie das interessantere Momentum in der deutschen Politik darstellen würde. Diese PDS- Eindämmungspolitik war damals effektiv, wie Gysi selbst mir bestätigte. Und sie wirkte auch noch bis Ende der 90er Jahre fort, obwohl ihre Voraussetzungen in der grünen Politik bereits erodierten. Mit den Wahlerfolgen der „Linken“ nun ist nicht nur der GAU für die Grünen eingetreten, sondern der Super-GAU. Der Super-GAU – zur Erinnerung – ist der Größte Anzunehmende Unfall, der nicht mehr beherrschbar, der irreversibel ist.

Das Feld der epochalen Niederlage der Grünen ist die soziale Frage, das Kernthema der „Linken“. Die Niederlage auf die Demagogie eines Lafontaine oder den Talkshow-Witz eines Gysi zu schieben, wäre zu billig. Es sind die Grünen selbst, die sich ihre Basis abgegraben haben.

Nach einem Abriss des Niedergangs der sozialen Frage in der grünen Partei, garniert mit einigen Schuldzuweisungen an Joschka Fischer u.a. grüne Spitzenleute, stellt Volmer den Verlust der "entscheidenden Schlacht gegen die Westausdehnung der Linken" und eine "Position der Schwäche" für die Grünen fest, um dann folgende Perspektiven aufzuzeigen:
Und nur wenn der Oppositionscharme der Linken dekonstruiert wird, indem man diese Partei durch Regierungsbeteiligung dem Fundi-Realo-Streit aussetzt, der einst die Grünen spaltete, tun sich neue Horizonte auf. Wenn die Integrationskraft der
Gysis und Biskys nachlässt, könnte es – best case aus grüner Sicht - zu einer Entmischung kommen bei den Linken. Ökologische Modernisierer könnten sich scheiden von Fundis, Querulanten und Stalinisten. Dann gäbe es die Chance, den Dialog, der einst verpasst wurde, mit neuen strategischen Optionen zu führen – vielleicht sogar einer Fusion, diesmal der richtigen?

Ja sicher, das könnte den Grünen so passen, dass die linke Partei sich einer Neuauflage überkommener Strömungsauseinandersetzungen hingibt und durch den Streit über Regierungsbeteiligungen auseinanderbrechen möge. Die Fusionsspekulation ist nicht uninteressant, aber offenbar vor dem Hintergrund von Volmers Hoffnung auf eine Spaltung der Linkspartei zu verstehen. – Wenn dann nur die "ökologischen Modernisierer" mit der grünen Partei über eine "Fusion" verhandelten, was wäre dann noch für die bei den Grünen auf den Hund gekommene soziale Frage gewonnen?

Ludger Volmers Analysepapier ist zu finden auf Grüne Linke als PDF.

14. Februar 2008

Am 16. Mai 2008 kommt der Frühling

Das Magazin prager frühling erscheint am 16. Mai 2008.
Kurz vorher wird hier etwas mehr verraten. Jetzt noch nicht.

Katja steigt in den Zug nach Moskau

Portrait meiner Chefin in VANITY FAIR:
Katja Kipping - "Die Männer sind unsicher"
Bei den Linken gibt's nur alte Männer? Weit gefehlt. Die 30-Jährige hat die Talkshows erobert - und bald auch die Partei

Interview mit Robin Alexander in: VANITY FAIR Nr. 7, 07.02.2008
(Druckfassung als PDF)

Mal sehen, wer alles "not amused" ist.

10. Februar 2008

Auf der Berlinale: Chico - Der Film

Auf der Berlinale wurde nun der Film Chiko vorgestellt, in welchem neben Denis Moschitto und Moritz Bleibtreu auch die Bremer Rapperin und Promotions-Stipendiatin der Rosa-Luxemburg-Stiftung Reyhan Şahin (aka Lady Bitch Ray, mehr auch hier in meinem Blog) mitspielt.

Scorsese-Szenen im Hamburger Ghetto
Ein kleines Gangsterfilm-Glanzlicht des deutschen Films war heute morgen auf der Berlinale zu sehen: Das von Fatih Akin produzierte Drogen- und Jugendgewaltdrama "Chiko" mit Denis Moschitto läuft in der Nebensektion Panorama.

Siehe www.spiegel.de, dazu auch dieses Video.
Filmstart ist am 17. April 2008.

Is Obama a Mac and Clinton a PC?

Dann weiß ich nun endlich, wen ich wählen würde...

Is Obama a Mac and Clinton a PC?

STYLES make fights — or so goes the boxing cliché. In 2008, they make presidential campaigns, too. (...)

On one thing, the experts seem to agree. The differences between hillaryclinton.com and barackobama.com can be summed up this way: Barack Obama is a Mac, and Hillary Clinton is a PC.

That is, Mr. Obama’s site is more harmonious, with plenty of white space and a soft blue palette. Its task bar is reminiscent of the one used at Apple’s iTunes site. It signals in myriad ways that it was designed with a younger, more tech-savvy audience in mind — using branding techniques similar to the ones that have made the iPod so popular. (...)

... und zwar nicht unwesentlich auch deswegen:
On the big Internet issues like copyright, Lawrence Lessig, a Stanford law professor who is supporting Mr. Obama, said there was “not a big difference on paper” between the two Democrats. Both tend to favor the users of the Internet over those who “own the pipes.” He is impressed by Mr. Obama’s proposal to “make all public government data available to everybody to use as they wish.”

In the long run, however, Mr. Lessig believes that it is the ability to motivate the electorate that matters, not simple matters of style. And he’s a Mac user from way back.

Siehe Noam Cohen, in: The New York Times, 04.02.2008

5. Februar 2008

Endlich mal niveauvolle Kritik an der Linkspartei

Mit diesem treffenden Hinweis sandte mir ein Kollege von Attac den folgenden Artikel aus dem Tagesspiegel:

Links, linker, linkisch
Alter Rotwein, neue Schläuche: Über den zweifelhaften Erfolg der Linkspartei


Von Gregor Dotzauer

Was für eine Koinzidenz, dass die Feierlichkeiten zur vierzigsten Wiederkehr des Jahres 1968 mit dem Durchbruch der Linkspartei im Westen zusammenfallen. Doch während das eine zumeist höhere Politfolkore zu sein scheint, die unter Verzicht auf tiefere Gehalte noch einmal den abenteuerlichen Anbruch eines neuen Zeitalters heraufbeschwört, ist das zweite ein wirkliches Ereignis. Oder verhält es sich genau umgekehrt?
(...)

In der Politik geht es nicht nur um Ideen, Argumente und vernünftige Einigung. Es geht um Kampf und Zähnefletschen, Einlenken und Zurückweichen, selbst wo es der Ratio widerspricht. Insofern ist die Forderung nach intellektueller Kompetenz der Linkspartei das eine. Etwas anderes ist die Tatsache, dass sich in ihrem Erfolg etwas von den bürgerlichen Parteien Verdrängtes artikuliert. Dennoch führt nichts daran vorbei, dass es weder eine soziale ohne eine kulturelle Linke noch eine kulturelle Linke ohne eine soziale geben kann. Im Moment sieht es nicht danach aus, als würden die beiden aufeinander zugehen.

(Erschienen im gedruckten Tagesspiegel vom 02.02.2008)

Grüne Landschaften: Die Reformer

Wo ich grad mit Bündnis90/Die Grünen beschäftigt war:

Bei den Grünen gelten offenbar etwas andere Begriffe. Die lustige Truppe der "Reformer" hatte während der G8-Gipfelproteste im Juni 2007 nichts besseres zu tun, als ausgerechnet dann ein neues parteiinternes Netzwerk zu bilden, als die meisten anderen Menschen in der Umgebung grad beim Alternativgipfel in Rostock oder bei den Blockaden rund um Heiligendamm waren.

Dafür kommt diese eher virtuelle Strömung aber ansonsten ziemlich sympathisch daher ("die REFORMER. Inhalte statt Macht.") und läßt sich in ihrem Blog mit verschiedener Grüner Prominenz ablichten, z.B. mit Oswald Metzger: “Wie, das traut Ihr Euch jetzt noch?” und Silke Stokar: “So kommt ihr nie in den Bundestag!” - Eine bessere Inszenierung von Respektlosigkeit vor BerufspolitikerInnen habe ich bei den Grünen lang nicht mehr gefunden (oder ich habe das alles falsch verstanden).

Wirklich lustig fand ich folgendes:
Die unsichtbare Hand des Marktes ist nicht nur grün, sondern auch demokratisch, sozial und gewaltfrei.

Die Handvoll Reformer nennt sich auch "Göttinger Liste" und überschneidet sich in Teilen mit der AutorInnen-Gruppe des interessanten Blogs "Leider besser" bzw. remix-generation.de. Ein ausführlicher Artikel zum Selbstverständnis der Reformer findet sich hier.

Grüne Realos: Inhalte gehen vor Vernunft?

Die anhaltenden Geburtswehen des Fünf-Parteien-Systems hinterlassen manch Belustigendes. Der Erfolg der Partei DIE LINKE bei den Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen hat ja so manche Hoffnung zunichte gemacht, dass die ungeliebte Konkurrenz doch nicht im Westen der Rublik angekommen sei und der Einzug in ein westdeutsches Landesparlament als möglichst vorübergehende Erscheinung doch bitte auf das Ausnahmebundesland Bremen beschränkt bleiben möge.

“Bei uns geht es um Inhalte” behauptet Fritz Kuhn, Grünen-Fraktionschef im Bundestag, und weist recht brüsk Überlegungen seines Vize Jürgen Trittin zu rot-rot-grünen Koalitionen zurück. Die Grüne Parteirätin Julia Seeliger kommentiert ihren Kollegen dazu treffend:
Wenn man schon die Inhalte ins Feld führt, sollte dies durchdacht sein. Immer häufiger nehme ich bei meinem Parteiratskollegen Kuhn Phrasendrescherei wahr, erst rief er zu einem Nokia-Boykott auf, jetzt muss ich festsstellen, dass das “Inhalte gehen vor” völlig sinnentleert verwendet wird. Denn das Gegenteil ist der Fall: Inhalte scheinen nicht vorzugehen - sonst würde man Vernunft walten lassen und einfach mal schauen, welche Wahlprogramme am besten nebeneinander passen. Denn da stehen ja die Inhalte drin.

Sehr schön, diesen Worten von "Reformer Seeliger" schließe ich mich gerne an. - Ähnliche Wahlprogramme zu haben, heißt ja nicht unbedingt, dass man dann auch gleich koaliert: da sind nicht nur die Grünen Realos vor.

Nachtrag 10.02.08:
Fritz Kuhn zieht die Handschuhe aus: "Mit so etwas können wir nicht koalieren", sagte Kuhn laut Spiegel gegenüber der "Leipziger Volkszeitung" in Bezug auf die Linkspartei. Gefunden in dem anonymen Blog Die peinlichsten Fritz Kuhn Zitate.

20. Januar 2008

Jugendgewaltdebatte: Grummelnde Gartennazis

Klasse: Die Bremer Musikerin Reyhan Şahin aka Lady Bitch Ray erklärt dem Publikum von Spiegel-Online, was ein Gartennazi ist und warum wir Menschen wie Lady Ray brauchen.

Grummelnde Gartennazis
Spießer gibt es überall, kein Problem. Aber wenn Spießer die eigene Jugend zum Feind erklären, dann wird es ärgerlich. Ein Gastbeitrag der türkischstämmigen Rapperin und Linguistin Lady Bitch Ray.

(...) Gefährlich wird das aber dann, wenn die Jugend insgesamt (manchmal sogar die eigenen Nachkommen) als etwas Fremdes wahrgenommen wird. Und wenn Menschen vergessen, dass sie selbst jung (und rebellisch) waren und sie den natürlichen Prozess der jugendlichen Abgrenzung einfach unterschätzen - oder schlicht ignorieren.

Aber damit es auch Grenzgänger gibt, die den Mut haben, jene Grenzen zu überschreiten - mit der nötigen Portion rebellischem Geist -, gibt es Leute wie mich: Lady Bitch Ray alias Reyhan Sahin. Rapperin, Akademikerin, Designerin, Türkin - der größte Schreck aller engstirnigen Menschen.

Siehe www.spiegel.de

Reyhan Şahin ist u.a. Linguistin und promoviert an der Universität Bremen zur Semiotik der Kleidung mit einem Stipendium der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Seit ihrem 12. Lebensjahr rappt sie unter dem Künstlernamen „Lady Ray“, ihre Texte sind geprägt durch eine radikal emanzipierte Haltung. Mit dem, was sie als "Gartennazis" bezeichnet, hat Reyhan Şahin so ihre eigenen Erfahrungen: Ihre mehrjährige Tätigkeit bei Radio Bremen wurde beendet, weil sie sich weigerte, ihre HipHop-Songs und dazu passende Fotos von ihrer Website bei MySpace zu entfernen.
Mehr dazu im Eintrag bei Wikipedia. Einen guten Überblick zum Gesamtkunstwerk Lady Ray gibt auch die Reportage "Keine ist so krass wie ich" von Klaus Irler in der tageszeitung.

19. Januar 2008

Zwischenbilanz zur Bremer LINKEN

Prof. Lothar Probst: DIE LINKE in der Bremischen Bürgerschaft. Eine Zwischenbilanz ihrer bisherigen Politik. Bremen, Januar 2008
Uni Bremen, Arbeitsbereich Wahl-, Parteien- und Partizipationsforschung (AWaPP), Institut für Politikwissenschaft
Zum Download als PDF unter www.awapp.uni-bremen.de