Die Bundestagsfraktion DIE LINKE hat seit einiger Zeit eine eigene BILD-Zeitung, die "Klar". Die Debatte, ob diese "LINKE.BILD" eine angemessene Form der "Zielgruppenansprache" ist, überspringe ich hier mal zugunsten der Berichterstattung über folgende Obszönität:
Am gestrigen 30. April wurde in Berlin die Umbenennung eines Teils der Kochstraße in die "Rudi-Dutschke-Straße" gefeiert, initiiert u.a. von der tageszeitung. Die politischen Auseinandersetzungen um die Ehrung der 68er-Ikone spiegelten auch unmittelbar historische Fronten wider: Vorneweg beim Kampf gegen Dutschke war auch diesmal wieder die Axel Springer AG, deren BILD-Zeitung vor vierzig Jahren das letztlich tödliche Attentat auf Dutschke mit herbei schrieb. Die Kochstraße ist auch deshalb ein historischer Ort, da hier vor dem Springer-Firmensitz nach dem Attentat die Auseinandersetzungen mit der Medienmacht des Springer-Verlags unmittelbar praktische Formen annahm, z.B. im Versuch, die Auslieferung der BILD zu verhindern. Ein weiteres Resultat dieser Auseinandersetzungen war auch die spätere Gründung der taz.
Der die Frühstückslaune verderbende Anlaß fiel mir nun aus selbiger taz eben an diesem schönen Datum entgegen: Als Beilage die jüngste Ausgabe der linken BILD-Zeitung "Klar". Während Linke einen zumindest symbolischen Sieg über Springer feiern, wedelt DIE LINKE mit einer Art von BILD-Zeitung im Gesicht einer BILD-kritisch eingestellten LeserInnenschaft herum. Dabei von Fettnäpfchen zu sprechen, schiene mir verharmlosend.
Das Widerwärtige an dieser Werbeidee ist für mich nicht zuerst der Missgriff der Werbestrategen der Linksfraktion in Bezug auf die "Zielgruppenansprache"; die mit dem Konzept der "Klar" anvisierte Zielgruppe dürfte in der LeserInnenschaft der taz deutlich gegen Null tendieren. Diese mehrfache Deplatziertheit: Ist es noch gesteigerte Ignoranz oder schon bewusste Provokation?
Da Obszönität ja auch ein Mittel von Protest sein kann, bleibt die Frage, ob die Linksfraktion mit dieser fragwürdigen Werbeaktion gegen die taz, gegen Rudi Dutschke, oder gegen "1968" ganz allgemein protestieren wollte... Oder ist dies gar ein subversiv gemeinter Protest gegen eigene, hier offenbar gewordene Geschichtsvergessenheit?
Zur BILD-Zeitung lohnt immer ein Blick ins bekannte BildBlog, zur "Klar" findet sich dort allerdings noch nichts.