Veranstaltung der Rosa-Luxemburg-Stiftung zum Jahrestag der Snowden-Enthüllungen Anfang Juni 2015 in Berlin
Kürzlich meldeten es die KollegInnen aus der Öffentlichkeitsarbeit der Rosa-Luxemburg-Stiftung: After the Summer of Snowden ist die erfolgreichste, bzw. die mit Abstand am häufigsten angeschaute Veranstaltungsdokumentation des vergangenen Jahres.
Am 12. Juni 2015 führte die Rosa-Luxemburg-Stiftung als Kooperation der Rosa-Luxemburg-Initiative — Rosa-Luxemburg-Stiftung Bremen und der Hellen Panke — Rosa-Luxemburg-Stiftung Berlin unter dem Titel „After the Summer of Snowden“ eine Diskussionsveranstaltung mit anschließender Filmvorführung des Dokumentarfilms CITIZENFOUR in Berlin durch. Anlass hierfür war der zweite Jahrestag der Veröffentlichung von Geheimdienstdokumenten durch den ehemaligen Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden.
Leitfrage der Diskussionsveranstaltung war, was aus der digitalen
Totalüberwachung durch die Geheimdienste folgt, die Snowden mit seinem
Material an die Öffentlichkeit gebracht hat. Im Garten des Berliner
Technoclubs „about blank“ fanden sich zu dieser Thematik etwa 300
DiskussionsteilnehmerInnen ein. Als ReferentInnen waren Jacob Appelbaum, Journalist und Internetaktivist, und Sarah Harrison,
einer der zentralen Personen bei der Internetplattform Wikileaks und
Unterstützerin von Edward Snowden auf seinem Weg ins Exil in Moskau,
eingeladen. Beide leben mittlerweile in Deutschland in Berlin im Exil,
da sie sich in ihrem politischen Wirken in den USA und Großbritannien
nicht mehr sicher fühlen. Die Veranstaltung wurde von Norbert Schepers (RLS Bremen) moderiert. Kurzfristig absagen mussten leider die Filmemacherin und Oscarpreisträgerin Laura Poitras als Referentin sowie die Linkspartei-Bundestagsabgeordnete und ehemalige Bremerin Martina Renner für die Moderation.
Wie
zu Beginn der Debatte deutlich wurde, gibt es durchaus unterschiedliche
Sichtweisen auf den Umgang mit den Snowden-Leaks in Deutschland.
Einerseits wurde bemängelt, dass eine tiefgreifende, öffentliche Debatte
über die Überwachungsproblematik durch die Strategie des „Aussitzens“
der Großen Koalition und der Sicherheitsapparate verhindert werde.
Andererseits betonten jedoch Appelbaum und Harrison, dass im
internationalen Vergleich in Deutschland mit dem
NSA-Untersuchungsausschuss zumindest eine parlamentarische Aufarbeitung
der politischen Konsequenzen aus den Snowden-Leaks begonnen habe und die
politische Transparenz über staatliche Überwachung in Deutschland
relativ hoch sei. „Euer Staat“, so Appelbaum, „schützt euch nicht. Aber
immerhin erzählt man euch das“.
Auf die Frage, was noch von den
Snowden-Dokumenten zu erwarten sei, betonte Harrison, dass erst ein
Prozent der weitergegebenen Dokumente veröffentlicht sind. Aus diesen
gehe bereits eindeutig hervor, dass es eine massenhafte Bespitzelung der
Bevölkerung gebe, die von den USA implementiert worden sei. Schwerpunkt
sei dabei weniger die Verhinderung von Terroranschlägen, sondern
vielmehr der Angriff auf Aktivisten und Journalisten. Unklar blieb
dabei, was die entsprechenden Akteure davon abhält, weitere Dokumente
aus dem Snowden-Fundus an die Öffentlichkeit zu geben.
In jedem
Fall stellen die Snowden-Dokumente jedoch nach wie vor einen zentralen
Informationspool für die kritische Debatte um die Einschränkung von
Grundrechten und die Reichweite staatlicher Überwachung dar. Dies
betrifft nicht nur den US-amerikanischen Geheimdienst NSA, sondern — so
Harrison und Appelbaum unisono — auch die deutschen Sicherheitsbehörden,
insbesondere den BND. Dieser stehe in enger Kooperation mit den
US-amerikanischen Geheimdiensten, werde in Rechtsfragen von diesem
beraten und greife selber auf US-amerikanische Überwachungsprogramme wie
XKeyscore zurück. Im Gegenzug leiste der BND Amtshilfe durch die
Übergabe von Daten für den weltweiten Drohnenkrieg des US-Militärs,
während die Bundesregierung die Steuerung der Drohnen durch den
US-Armeestützpunkt in Ramstein toleriere. Appelbaum forderte
diesbezüglich ein aktives Eingreifen gegen die Tötungspolitik der USA:
„Warum stellt ihr denen nicht das Wasser
ab oder den Strom?“
Darüber
hinaus kritisierte Appelbaum auch das ängstliche Vorgehen der Justiz
und insbesondere der Generalbundesanwaltschaft. Generalbundesanwalt
Harald Range hatte am Tag der Veranstaltung verkündet, dass sie die
Ermittlungen wegen der Ausspähung des Handys von Kanzlerin Merkel durch
die NSA aus Mangel an Informationen eingestellt habe...
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Bericht von Lars Bretthauer und Norbert Schepers; Fotos und Video von Martha Dörfler und Patrick Stary.