31. Dezember 2016

»Drohnenkrieg« kurz erklärt

Drohnen sind unbemannte und ferngesteuerte Luftfahrzeuge, seltener sind auch Wasser- und Landfahrzeuge gemeint. In den letzten drei Jahrzehnten hat der militärische Gebrauch von Drohnen zugenommen, zunächst zur Aufklärung und Überwachung, nach den Anschlägen vom 11. September 2001 werden Drohnen auch für Luftschläge gegen Terrorverdächtige eingesetzt.

Spätestens seit dem 1. Weltkrieg werden Drohnen militärisch genutzt, sie blieben lange eher eine Randerscheinung. Die Drohnentechnologie verlor ihr Nischendasein ab den 1990 Jahren als der technische Fortschritt zunehmend sowohl Steuerung als auch Datennutzung in nahezu Echtzeit ermöglichte. Der „globale Krieg gegen den Terrorismus“ nach 9/11 brachte den politischen Impuls für den Einsatz einer Reihe von automatisierten und ferngesteuerten Technologien. Das Scheitern der Weltmächte in den asymmetrischen Konflikten in Vietnam in den 1970er und in Afghanistan in den 1980er Jahren hatte für die Bereitstellung von erheblichen Budgets für Forschung und Entwicklung in diesem Bereich gesorgt. Neben vielen taktischen Vorteilen bei den Drohneneinsätzen ist insbesondere der fehlende menschliche Faktor das Erfolgskriterium: Hier besteht kein Risiko für die eigenen Soldaten, was eine der zentralen Taktiken insbesondere von dschihadistischen Aufständischen konterkariert.

Die Bezeichnung Drohnenkrieg wurde in den letzten fünf Jahren zu einem populären Schlagwort und fasst eine Reihe von politischen und militärischen Entwicklungen zusammen. Bekannt wurden insbesondere Einsätze US-amerikanischer ferngesteuerter Kampfdrohnen der Typen Predator und Reaper, welche vor allem mit Hellfire-Raketen (Luft-Boden-Raketen) Bodenziele beschießen. Diese Einsätze (insbesondere in Afghanistan und Pakistan, Jemen, Somalia) dienen der gezielten Tötung von vermuteten Mitgliedern terroristischer Gruppen. Doch diese Form der „Jagd auf Terroristen“ ist alles andere als präzise und sauber, denn immer wieder sterben Unbeteiligte bzw. Zivilisten, z.B. durch den Beschuss von Wohngebäuden, PKWs oder anderen zivilen Zielen.

Die Signature Strikes sind eine Art Rasterfahndung mit Drohnen und Vor-Ort-Exekution, z.B. in den Stammesgebieten in Nordwest-Pakistan. Die Identität der Zielpersonen muss dabei nicht einmal bekannt sein: Es reichen bereits sehr allgemeine Verhaltensmuster und Gruppenmerkmale („all military-age males in a strike zone”) als Verdachtsgrund.

Zur Zielbestimmung für Drohnenschläge werden auch anlasslos gesammelte Metadaten aus den globalen Überwachungsprogrammen der Geheimdienste genutzt. Diese ermöglichen eine nahezu beliebige Identifikation, Lokalisierung und Liquidierung ausgewählter Personen. Die Frage nach dem Sinn weltweiter Massenüberwachung ist mit Blick auf solche Tötungsprogramme neu gestellt.

25. November 2016

Smarte Worte. Das kritische Lexikon der Digitalisierung

Die Konferenz Unboxing. Algorithmen, Daten und Demokratie Anfang Dezember in Berlin beschäftigt sich mit den gesellschaftlichen Folgen der Digitalisierung. Zur Konferenz ist soeben Smarte Worte. Das kritische Lexikon der Digitalisierung erschienen. Vorab wurden Stichworte des Lexikons als gemeinsames Online-Projekt der Rosa-Luxemburg-Stiftung und der Tageszeitung Neues Deutschland gebloggt, siehe Smarte Worte. Für das Lexikon habe ich den Drohnenkrieg in 4.000 Zeichen erklärt. – Das Stichwort »Drohnenkrieg« ist nun auch hier in meinem Blog zu finden.


Lesenswert ist auch das Editorial zum Auftakt der Onlinepublikation: Big Data oder: Ein Arbeitszimmer groß wie Dänemark. Das Lexikon ist ab sofort als PDF verfügbar, als gedrucktes Buch ab dem 07.12.2016. 

17. August 2016

Podcasts zum Drohnenkrieg

Bei zwei Podcasts rund um das Thema Drohnenkrieg war ich in den letzten Wochen zu Gast.

Andreas Potzlow, Fotograf und Journalist, hat dieses Frühjahr den Podcast Cybererrorism – releases from dystopia gestartet und ich hatte die Ehre, der erste Gesprächspartner zu sein: „Wenn Big Data tödlich ist“.
Auf der Cryptocon16 hatte ich die Gelegenheit mit Norbert Schepers von der Rosa Luxemburg Stiftung ein Gespräch zu führen im Anschluss an seinen Vortrag “Wenn Big Data tödlich ist“. Eine kurze Einführung zum Thema, die Situation der Menschen vor Ort, sowie die Rolle der Ramstein Air Base in Deutschland sind unsere Themen (…)
Die Technische Aufklärung ist ein DER Podcast zum Geheimdienst-Untersuchungsausschuss (#NSAUA) des Deutschen Bundestages. Bereits über ein Jahr wird mit regelmäßigen Sendungen über das Geschehen in den öffentlichen Ausschusssitzungen informiert und zusammen mit Gästen kommentiert. Nominiert für den Grimme Online Award 2016. Ende Juni habe ich mich mit Felix Betzin (Podcast Producer) und Daniel Lücking (Journalist und ehemaliger Soldat der Bundeswehr in Afghanistan) unterhalten: „TA041 – Drohnen und der geheime Krieg“
Wir haben mit Norbert Schepers und Daniel Lücking über den geheimen Krieg gesprochen. Wie wird er geführt und welche Rolle spielt die Überwachung darin? (…)



Vielen Dank an meine interessanten GesprächspartnerInnen und allen gute Erkenntnisse beim Reinhören!

1. Juni 2016

Drohnenkrieg und Flucht

Aufruf zu einer Befragung als Teil des Projekts »The Drone Wars — Die Drohnenkriege«

Drohnen (unbemannte, ferngesteuerte Luftfahrzeuge) werden in den letzten Jahren zunehmend für militärische Zwecke benutzt: Aufklärung und Überwachung, aber auch Luftschläge. Bekannt wurden insbesondere Tötungseinsätze britischer und US-amerikanischer ferngesteuerter Kampfdrohnen der Typen Predator und Reaper, welche vor allem mit Hellfire-Raketen (Luft-Boden-Raketen) Bodenziele beschießen.

Wir von der Rosa-Luxemburg-Initiative (das ist die Rosa-Luxemburg-Stiftung in Bremen) haben in den letzten Jahren intensiv zum Thema Drohnenkrieg gearbeitet und dazu bundesweit Vorträge gehalten. Wir versuchen, dazu auch die Sichtweise der Opfer dieser Art der Kriegsführung zu Wort kommen zu lassen. Wir wollen nun nach Deutschland Geflüchtete zu ihren Erfahrungen mit Drohnen befragen und die Ergebnisse in geeigneter Form dokumentieren. Die ZeugInnen entscheiden dabei, in welcher Form (Audio, Video) ihre Berichte öffentlich gemacht werden. Wir wollen damit die Sicht der Opfer im Diskurs über den Drohnenkrieg deutlicher und stärker sichtbar machen, und besonders diese Menschen selbst zu Wort kommen zu lassen.

Bitte melden Sie sich bei uns:
· Haben Sie Erfahrung mit Drohneneinsätzen gemacht? Wollen Sie uns etwas über dieses Thema erzählen? Kontaktieren Sie uns, sodass wir Ihrem Bericht in einer freundlichen Umgebung zuhören können. Sie entscheiden, in welcher Form wir das Gesagte dokumentieren dürfen.
· Haben Sie aktivistische, ehrenamtliche oder professionelle Erfahrungen mit diesem oder ähnlichen Themen? Können Sie uns helfen, Kontakt zu interessierten Geflüchteten herzustellen? Wir freuen uns auf Ihre Hilfe oder Mitwirkung in diesem Projekt.

24. Mai 2016

Vortragsvideo: Wenn Big Data tödlich ist…

Bei der CryptoCon16 habe ich über Globale Überwachung und Drohnenkrieg gesprochen. Das Video von meiner Lecture vom Samstag, 21. Mai 2016, im Hackerspace sublab in Leipzig ist bereits beim
CCC-TV online.
Der Kampf gegen Überwachung und Kontrolle durch den Staat ist historisch gesehen ein gemeinsames Kernthema von linksemanzipatorischen Bewegungen und Hackerkulturen.
Dennoch mangelt es an wirksamer Aufklärung und an wirksamen politischen Aktivitäten gegen die Totalüberwachung, der wir weltweit ausgesetzt sind. Der öffentliche Druck gegen die massenhafte, anlasslose Überwachung gehört aber auf die politische Agenda, umso mehr es bei den globalen Datensammlungen nicht um die Gewinnung von Informationen um ihrer selbst willen geht, sondern um deren Verwendung im Zusammenhang mit dem „globalen Krieg gegen den Terrorismus“. Die gesammelten Daten sind insbesondere Grundlage für die Lokalisierung und Liquidierung von Terrorverdächtigen und mutmaßlichen Feinden – ohne nennenswerte externe oder demokratische Kontrolle – quasi Hinrichtungen ohne Prozess. Dabei spielt inzwischen der Einsatz von Drohnen eine zentrale Rolle.

9. Januar 2016

Gerd

Zwischen den Feiertagen ist am 30. Dezember 2015 überraschend mein Freund Gerd, Gerhard Arndt, im Alter von 76 Jahren verstorben.

Gerd Arndt; Foto: Partei DIE LINKE. Bremen, http://www.dielinke-bremen.de/wahlen/wahlen_15_in_hb_brhv/bremer_beiratskandidatinnen/hemelingen/

Bei der Rosa-Luxemburg-Initiative habe ich dazu ein paar kurze Sätze geschrieben; hier eine kleine, persönliche Erinnerung, die ich liebgewonnen habe:
Eine Abendveranstaltung, die ich 2011 für die Rosa-Luxemburg-Initiative moderieren sollte, aber keine Kinderbetreuung für meinen dreijährigen Sohn. Gerd sprang sehr kurzfristig ein und mein Sohn saß im Hintergrund des Raumes zwei Stunden vergnügt und zufrieden bei ihm auf dem Schoß, bis der Referent uns grinsend alle nach Hause schickte...

2. Januar 2016

Nochmal angeschaut: After the Summer of Snowden

Veranstaltung der Rosa-Luxemburg-Stiftung zum Jahrestag der Snowden-Enthüllungen Anfang Juni 2015 in Berlin 

Veranstaltungsfoto After the Summer of Snowden 12.06.2015

Kürzlich meldeten es die KollegInnen aus der Öffentlichkeitsarbeit der Rosa-Luxemburg-Stiftung: After the Summer of Snowden ist die erfolgreichste, bzw. die mit Abstand am häufigsten angeschaute Veranstaltungsdokumentation des vergangenen Jahres.

Am 12. Juni 2015 führte die Rosa-Luxemburg-Stiftung als Kooperation der Rosa-Luxemburg-Initiative — Rosa-Luxemburg-Stiftung Bremen und der Hellen Panke — Rosa-Luxemburg-Stiftung Berlin unter dem Titel „After the Summer of Snowden“ eine Diskussionsveranstaltung mit anschließender Filmvorführung des Dokumentarfilms CITIZENFOUR in Berlin durch. Anlass hierfür war der zweite Jahrestag der Veröffentlichung von Geheimdienstdokumenten durch den ehemaligen Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden. Leitfrage der Diskussionsveranstaltung war, was aus der digitalen Totalüberwachung durch die Geheimdienste folgt, die Snowden mit seinem Material an die Öffentlichkeit gebracht hat. Im Garten des Berliner Technoclubs „about blank“ fanden sich zu dieser Thematik etwa 300 DiskussionsteilnehmerInnen ein. Als ReferentInnen waren Jacob Appelbaum, Journalist und Internetaktivist, und Sarah Harrison, einer der zentralen Personen bei der Internetplattform Wikileaks und Unterstützerin von Edward Snowden auf seinem Weg ins Exil in Moskau, eingeladen. Beide leben mittlerweile in Deutschland in Berlin im Exil, da sie sich in ihrem politischen Wirken in den USA und Großbritannien nicht mehr sicher fühlen. Die Veranstaltung wurde von Norbert Schepers (RLS Bremen) moderiert. Kurzfristig absagen mussten leider die Filmemacherin und Oscarpreisträgerin Laura Poitras als Referentin sowie die Linkspartei-Bundestagsabgeordnete und ehemalige Bremerin Martina Renner für die Moderation.

Veranstaltungsfoto After the Summer of Snowden 12.06.2015

Wie zu Beginn der Debatte deutlich wurde, gibt es durchaus unterschiedliche Sichtweisen auf den Umgang mit den Snowden-Leaks in Deutschland. Einerseits wurde bemängelt, dass eine tiefgreifende, öffentliche Debatte über die Überwachungsproblematik durch die Strategie des „Aussitzens“ der Großen Koalition und der Sicherheitsapparate verhindert werde. Andererseits betonten jedoch Appelbaum und Harrison, dass im internationalen Vergleich in Deutschland mit dem NSA-Untersuchungsausschuss zumindest eine parlamentarische Aufarbeitung der politischen Konsequenzen aus den Snowden-Leaks begonnen habe und die politische Transparenz über staatliche Überwachung in Deutschland relativ hoch sei. „Euer Staat“, so Appelbaum, „schützt euch nicht. Aber immerhin erzählt man euch das“.

Auf die Frage, was noch von den Snowden-Dokumenten zu erwarten sei, betonte Harrison, dass erst ein Prozent der weitergegebenen Dokumente veröffentlicht sind. Aus diesen gehe bereits eindeutig hervor, dass es eine massenhafte Bespitzelung der Bevölkerung gebe, die von den USA implementiert worden sei. Schwerpunkt sei dabei weniger die Verhinderung von Terroranschlägen, sondern vielmehr der Angriff auf Aktivisten und Journalisten. Unklar blieb dabei, was die entsprechenden Akteure davon abhält, weitere Dokumente aus dem Snowden-Fundus an die Öffentlichkeit zu geben.
In jedem Fall stellen die Snowden-Dokumente jedoch nach wie vor einen zentralen Informationspool für die kritische Debatte um die Einschränkung von Grundrechten und die Reichweite staatlicher Überwachung dar. Dies betrifft nicht nur den US-amerikanischen Geheimdienst NSA, sondern — so Harrison und Appelbaum unisono — auch die deutschen Sicherheitsbehörden, insbesondere den BND. Dieser stehe in enger Kooperation mit den US-amerikanischen Geheimdiensten, werde in Rechtsfragen von diesem beraten und greife selber auf US-amerikanische Überwachungsprogramme wie XKeyscore zurück. Im Gegenzug leiste der BND Amtshilfe durch die Übergabe von Daten für den weltweiten Drohnenkrieg des US-Militärs, während die Bundesregierung die Steuerung der Drohnen durch den US-Armeestützpunkt in Ramstein toleriere. Appelbaum forderte diesbezüglich ein aktives Eingreifen gegen die Tötungspolitik der USA: „Warum stellt ihr denen nicht das Wasser
ab oder den Strom?“