7. Mai 2015

“Let’s kill the people who are trying to kill us”

Das kürzliche Eingeständnis der U.S. Regierung, dass ein Drohnenschlag im Januar auch zwei westliche Geiseln tötete, hat die Kritik an den Drohnenkriegen noch einmal bestärkt: Obwohl die Drohnen als präzise Technologie gepriesen werden, sind die Behörden oft unsicher, wer bei den Angriffen sterben wird. Jede unabhängige Untersuchung bestätigt die verstörende Wahrheit, dass das Versprechen einer “beinahe Gewissheit, dass keine Zivilisten getötet oder verletzt werden” (U.S. Präsident Barack Obama) falsch ist, und dass weit mehr Zivilisten bei den Drohnenangriffen sterben, als bisher zugegegeben wird.
Micah Zenko, a scholar at the Council on Foreign Relations and lead author of a 2013 study of drones, said the president’s statement “highlights what we’ve sort of known: that most individuals killed are not on a kill list, and the government does not know their names.”
Siehe Scott Shane Drone Strikes Reveal Uncomfortable Truth: U.S. Is Often Unsure About Who Will Die (New York Times, 23.04.2015)

Nicht minder verstörend: Die Herkunft der Opfer erst scheint den Nachrichtenwert auszumachen.
Dazu auch Glenn Greenwald: The Key War On Terror Propaganda Tool: Only Western Victims Are Acknowledged (The Intercept, 24.04.2015).





Veranstaltungshinweis:

“Let’s kill the people who are trying to kill us” (Barack Obama)


Der weltweite „Krieg gegen den Terror“ stellt das grundlegende Recht auf Leben in Frage:
Das Beispiel der Drohnenkriege.
Vortrag und Diskussion mit Norbert Schepers

Freitag, 5. Juni 2015, um 18:00 Uhr
Altes Sportamt, Auf dem Peterswerder 44, 28205 Bremen

Eine Veranstaltung
mit anschließendem Konzert im Rahmen des Festival contre le Racisme Bremen, welches 2015 vom 3. bis zum 14. Juni stattfindet. Mehrsprachige Übersetzung wird angeboten.

Wir blicken bald zurück auf 14 Jahre „globalen Krieg gegen den Terror“* der USA und ihrer Verbündeten, welcher auf die Anschläge vom 11. September 2001 folgte. Nur vor diesem Hintergrund erklärt sich die enorme Konjunktur der Drohnenkriege**. Die Tötungseinsätze ferngesteuerter, unbemannter und bewaffneter Drohnen dienen der gezielten Tötung (Targeted Killing) von vermuteten Mitgliedern terroristischer Gruppen. Die Drohnenschläge sind das prägnanteste Gesicht dieses immer weiter eskalierenden und entgrenzten Krieges*** geworden; die militärischen und paramilitärischen Methoden, mit denen gegen Terrorismus gekämpft wird, sind insgesamt heftig umstritten. Der weltweite „Krieg gegen den Terror“ stellt zugleich das grundlegende Recht auf Leben in Frage. Wer stirbt, und warum, wird meistens geheim gehalten. Das Beispiel der Drohnenkriege zeigt auch die weltweite Ungleichheit in der Frage, wer eigentlich Ziel dieser Tötungseinsätze wird, welche Opfer öffentlich anerkannt werden – und welche nicht.

Mit Norbert Schepers, Politikwissenschaftler und Leiter des Bremer Büros der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Ihn interessieren unter anderem Zusammenhänge von Technik und Gesellschaft; er ist in den letzten Monaten mit einer Vortragsrundreise zum Thema Drohnenkrieg unterwegs, siehe auch http://norbert.schepers.info/p/the-drone-wars.html

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* The Global War On Terror: Der „weltweite Krieg gegen den Terrorismus“ wird seit den 9/11-Anschlägen vom 11. September 2001 gegen die USA auf einer zunehmenden Zahl von Schauplätzen geführt. Es ist nach wie vor umstritten, ob hierbei die Kategorie Krieg überhaupt angemessen ist, insbesondere angesichts eines schwer fassbaren Gegners: International agierende, terroristische Gruppen und Personen des radikalislamistischen Netzwerks Al-Qaida und seiner Verbündeten. Nicht minder umstritten sind die militärischen und paramilitärischen Methoden, mit denen der Antiterrorkrieg weltweit von den USA und ihren Verbündeten, darunter auch die Bundesrepublik Deutschland, geführt wird: verdeckte und irreguläre Kriegsführung, Einsätze von militärischen Spezialkommandos und von Söldnerarmeen privater Unternehmen, gezielte Tötungen, die Verschleppung von Terrorverdächtigen und ihre Internierung ohne Gewährung von (Kriegs-)Gefangenenrechten, der Einsatz von Folter gegen Gefangene, die anlasslose und massenhafte weltweite Kommunikationsüberwachung und nicht zuletzt extralegale Hinrichtungen durch Drohnenschläge gegen Terrorverdächtige.

** The Drone Wars: Die Bezeichnung Drohnenkrieg wurde in den letzten Jahren zu einem populären Schlagwort und fasst eine Reihe von globalen politischen und militärischen Entwicklungen zusammen. Bekannt wurden insbesondere die Tötungseinsätze britischer und US-amerikanischer ferngesteuerter, unbemannter und bewaffneter Drohnen. Diese Einsätze, derzeit vor allem in Afghanistan, Pakistan, Somalia und Yemen, sind zu einer wesentlichen Ausformung des weltweiten „Krieges gegen den Terror“ geworden – wenn nicht sogar zu dessen prägnantester Erscheinungsform überhaupt – und dienen der gezielten Tötung von vermuteten Mitgliedern terroristischer Gruppen, sog. Targeted Killings. Doch diese Form der „Jagd auf Terroristen“ ist alles andere als präzise oder chirurgisch, denn bei den Explosionen, mit denen die Terrorverdächtigen quasi hingerichtet werden, sterben auch immer wieder zahlreiche Unbeteiligte bzw. Zivilisten. Die rechtlichen und politischen Probleme dieser Form der Kriegsführung sind schwerwiegend und vielfältig, schließlich handelt es sich um eine Form außergerichtlicher, staatlicher Hinrichtung, um Tötungen auf Verdachtsgrundlage und um einen verdeckten, weltweiten „schmutzigen“ Krieg.

*** The Endless War: Obwohl die militärischen Interventionen im Krieg gegen den Terror in Afghanistan und im Irak insgesamt als gescheitert bezeichnet werden können, scheint dieser Krieg nicht enden zu wollen. Auch die Antiterroroperationen insbesondere in Pakistan, in Somalia und im Yemen, aber auch in zahlreichen weiteren Ländern, haben offenbar weder die von Al-Qaida inspirierten lokalen Gruppen noch die Wirkmächtigkeit der Idee eines Dschihad gegen den Westen sowie gegen mutmaßliche Andersgläubige und für einen radikal-islamischen Staat auf Dauer schwächen oder gar unterbinden können. Vier Jahre Krieg in Syrien und elf Jahre im Irak haben gezeigt, dass selbst ursprünglich kleine dschihadistische Gruppen ein enormes Potential entwickeln können. Der ehemalige Al-Qaida-Verbündete ISIS (Islamic State of Iraq and al-Sham), inzwischen als Islamischer Staat bekannt, hat heute im Irak und in Syrien zehn- bis dreißigtausend Kämpfer unter seinem Kommando und hat mit seiner jüngsten Offensive wohl tatsächlich die Landkarte des Nahen Osten verändert und die umstrittenen spätkolonialen Sykes-Picot-Grenzen auf Dauer in Frage gestellt.