19. Mai 2008

Armut und Reichtum

Armutsbericht: 13 Prozent der Deutschen sind arm
Nach längerer Verzögerung wird laut gestriger AFP-Meldung die Bundesregierung heute endlich den Armuts- und Reichtumsbericht vorlegen.
Die Kluft zwischen Arm und Reich hat sich in Deutschland weiter vertieft: Jeder Vierte hierzulande ist nach dem neuen Armuts- und Reichtumsbericht mittlerweile von Armut betroffen oder muss mit staatlicher Hilfe vor Armut bewahrt werden, wie Bundessozialminister Olaf Scholz (SPD) der "Bild am Sonntag" sagte. Die Bundesregierung will den Bericht am Montag vorstellen. 13 Prozent der Bundesbürger gelten demnach als arm, weitere 13 Prozent würden durch Leistungen wie Kinder- oder Arbeitslosengeld vor dem Abrutschen in die Armut bewahrt. (...)

Am schlimmsten sei die Lage für Langzeitarbeitslose sowie für Alleinerziehende und deren Kinder. Besonders bedrücke ihn, dass auch die Zahl derer, die arbeiteten und trotzdem von Armut bedroht seien, größer geworden sei, sagte Scholz. "Das zeigt: Wir haben zu niedrige Löhne in Deutschland, und wir brauchen Mindestlöhne." "Wenn es die Sozialtransfers wie Arbeitslosengeld II, Wohn- oder Kindergeld nicht gäbe, dann hätten wir statt 13 Prozent 26 Prozent Arme", fügte er hinzu. (...)

Dazu ein etwas älteres Zitat:
„Denn wer da hat, dem wird gegeben werden, dass er Fülle habe; wer aber nicht hat, von dem wird auch genommen, was er hat.“ Matthäusevangelium 25,29; zitiert nach Wikipedia

Nachtrag:
Armutszeugnis ist eine der beliebtesten Kommentierungen der Ergebnisse dieses Berichts, so z.B. bei Attac:

Scholz legt Armutszeugnis für neoliberale Politik vor
Attac: Solidarische Umverteilung statt Steuersenkung für alle

Zudem fordern die Globalisierungskritiker die Einführung eines angemessen gesetzlichen Mindestlohns und ein ausreichendes Mindesteinkommen deutlich über den derzeitigen Hartz-IV-Sätzen für alle Menschen - auch wenn sie nicht arbeiten. "Die Möglichkeit zu gesellschaftlicher Teilhabe ist ein Menschenrecht, das sich nicht niemand erst verdienen muss. Hartz IV muss weg", stellte Ronald Blaschke, ebenfalls Mitglied im Attac-Koordinierungskreis, klar.

17. Mai 2008

15. Mai 2008

"Die doppelte Linkspartei"

Anlässlich des kommenden Bundesparteitages der Partei DIE LINKE vom 24. bis 25. Mai in Cottbus kommentiert Albert Scharenberg in den Blättern aktuelle Auseinandersetzungen um die strategische Ausrichtung der Linkspartei.
Kern des Streits ist also offensichtlich der Umstand, dass es sich immer noch um zwei Parteien handelt. Aus Angst vor weiteren Zerwürfnissen in der vereinigten Partei werden sämtliche Konflikte nach wie vor unter den Teppich gekehrt. Dadurch aber drohen die beiden Teil-Parteien noch weiter auseinanderzudriften. (...)
Dabei sollten der Weg der Grünen und ebenso der Weg ihres ehemaligen Fundi-Flügels als Warnung dafür dienen, dass die Linke (die ja wesentlich breiter ist, als die gleichnamige Partei suggeriert) weder einen bloßen Steigbügelhalter für eine Schröder-SPD noch eine fundamentalistische Gesinnungspartei benötigt. Man muss schon anhand der Inhalte und der jeweils konkreten Bedingungen entscheiden, welchen Kurs man verfolgen will.
Dass der Parteitag diese zentralen Fragen wieder einmal weitgehend ausklammert, ist allerdings kein gutes Omen.
In: Blätter für deutsche und internationale Politik, Nr. 05/2008

Zwei Bremer Konferenzen

Die Fraktion DIE LINKE in der Bremischen Bürgerschaft veranstaltet im Juni zwei Konferenzen zu wichtigen Themen der Linken.

Armut:
„Armut Macht Reichtum - die Armutskonferenz in Bremen“
Samstag, 7. Juni 2008, von 10.30 bis 17.30 Uhr im Waldau-Theater, Waller Heerstraße 165, 28219 Bremen
Direkt im Anschluss an die Armutskonferenz soll am gleichen Ort die Gründung einer Landesarbeitsgemeinschaft Grundeinkommen der Linkspartei Bremen stattfinden (s.a. Bundesarbeitsgemeinschaft Grundeinkommen, Netzwerk Grundeinkommen).
Katja Kipping, Vize-Parteivorsitzende und Sprecherin für Sozialpolitik der Bundestagsfraktion DIE LINKE, wird diese Veranstaltung mit einem kurzen Beitrag eröffnen.
Näheres auf der Website der LAG-BGE Bremen.

Migration:
„Hier sind wir zuhause. MigrantInnen in Bremen“
Samstag, 14. Juni 2008, von 13.00 bis 18.30 Uhr im Haus der Bremischen Bürgerschaft, Am Markt 20, 28195 Bremen
  • Ich freue mich besonders, dass für das Programm dieser Konferenz Vassilis Tsianos von Kanak Attak zugesagt hat, u.a. sind auch Reyhan Şahin und Mark Terkessidis angefragt.

10. Mai 2008

Links-Grün reloaded

Neues von den »Grünen Linken«:
Auf Initiative von u.a. Robert Zion, von einigen liebevoll der »Parteitagsrebell von Göttingen« genannt, kursiert die Erklärung »Links-libertär« (hier zum Download im frisch installierten Blog von Zion). Hinter diesem Aufruf sollen sich in diesem Frühjahr 500 Grüne versammeln - was weiter passieren soll, wird bislang offen gelassen.

Sympathisch:
Wir sind nicht mehr länger die Generation X, die den Partei- und Wirtschaftsführern zuruft: „Here we are now, entertain us“ (Nirvana). Wir waren schon bei den Ärzten und sind immer noch für Visionen. Aber das ewig uneingelöste Versprechen der Vollbeschäftigung haben wir nicht mehr anzubieten. (...)

Was wir anzubieten haben, ist Freiheit und Solidarität. Nein, ein solidarischer Individualismus ist keine Widerspruch, wir sind der Überzeugung, dass es eine Gesellschaft geben kann, “worin die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist“ (Karl Marx, 1848). Und darum nennen wir einen Krieg immer noch einen Krieg und halten Armut und Ausgrenzung immer noch für einen Skandal; darum sind wir aus Überzeugung emanzipatorisch und links, was für uns dasselbe ist. (...)

Was also, wenn nicht links? Weil wir wissen, dass der Ethos einer Gesellschaft sich daran bemisst, wie diese mit ihren Geringsten und ihren natürlichen Lebensgrundlagen umgeht, sind wir Wertkonservative. Weil wir wissen, dass die Menschen- und Bürgerrechte ohne die Garantie einer materiellen Basis nur leere Ideale bleiben, sind wir Menschen- und Bürgerrechtsliberale. Und eben weil wir wissen, dass die Zufälle des Marktes und der Herkunft solche Ungleichheiten und Ausgrenzungen schaffen, sind wir Linke. (...)
Einiges ähnelt der Emanzipatorischen Linken, welche aus der Linkspartei entstanden ist, bis hin zum obigen Marx-Zitat zum Verhältnis von Aneignung von Produktionsbedingungen und Verfügungsgewalt über das eigene Leben. Tatsächlich nennt sich der links-grüne Zusammenhang inzwischen sogar "Grüne Emanzipatorische Linke", zumindest laut Logo (siehe oben).

Zion schreibt begleitend zum Aufruf:
Wir sind kein Flügel, wir sind das Massezentrum der Partei, das diese auf den Boden ihrer Visionen zurückholt.
Viel Erfolg, von ganzem Herzen!

1. Mai 2008

Nicht so possierlich wie es scheint ...

"Nicht so possierlich wie es scheint", sagt selbstironisch die Interventionistische Linke über sich mit Bezug auf ihr neues Wappentier, den Iltis. In der IL versammelt sich eine Strömung der undogmatischen radikalen Linken, welche sich schon in den Neunzigern um die Organisationsfrage als eine Konsequenz aus der Selbstkritik der Autonomen der Achtziger bemühte. Diesmal mit mehr Erfolg, zumindest eingedenk der Rolle, welche die IL als Akteurin bei den G8-Protesten 2007 spielen konnte.

... aber auch nicht so flink, wie man meint?

Konsequenterweise gehen solche Prozesse in diesem eher organisationskeptischen Spektrum nicht so flott voran, wie manche wünschen. Daher hat die kürzliche Arbeitskonferenz der IL auch eher dazu gedient, viele inhaltliche, strategische und organisatorische Fragen erstmal anzureissen, und nicht gleich auch zu beantworten.

Unter dem Titel Kurz & nicht bündig findet sich eine erste Einschätzung zum Marburger Treffen, etwas allgemein gehalten aber durchaus treffend. Anfang Juli geht es weiter.

BILD meets taz

Die Bundestagsfraktion DIE LINKE hat seit einiger Zeit eine eigene BILD-Zeitung, die "Klar". Die Debatte, ob diese "LINKE.BILD" eine angemessene Form der "Zielgruppenansprache" ist, überspringe ich hier mal zugunsten der Berichterstattung über folgende Obszönität:

Am gestrigen 30. April wurde in Berlin die Umbenennung eines Teils der Kochstraße in die "Rudi-Dutschke-Straße" gefeiert, initiiert u.a. von der tageszeitung. Die politischen Auseinandersetzungen um die Ehrung der 68er-Ikone spiegelten auch unmittelbar historische Fronten wider: Vorneweg beim Kampf gegen Dutschke war auch diesmal wieder die Axel Springer AG, deren BILD-Zeitung vor vierzig Jahren das letztlich tödliche Attentat auf Dutschke mit herbei schrieb. Die Kochstraße ist auch deshalb ein historischer Ort, da hier vor dem Springer-Firmensitz nach dem Attentat die Auseinandersetzungen mit der Medienmacht des Springer-Verlags unmittelbar praktische Formen annahm, z.B. im Versuch, die Auslieferung der BILD zu verhindern. Ein weiteres Resultat dieser Auseinandersetzungen war auch die spätere Gründung der taz.

Der die Frühstückslaune verderbende Anlaß fiel mir nun aus selbiger taz eben an diesem schönen Datum entgegen: Als Beilage die jüngste Ausgabe der linken BILD-Zeitung "Klar". Während Linke einen zumindest symbolischen Sieg über Springer feiern, wedelt DIE LINKE mit einer Art von BILD-Zeitung im Gesicht einer BILD-kritisch eingestellten LeserInnenschaft herum. Dabei von Fettnäpfchen zu sprechen, schiene mir verharmlosend.

Das Widerwärtige an dieser Werbeidee ist für mich nicht zuerst der Missgriff der Werbestrategen der Linksfraktion in Bezug auf die "Zielgruppenansprache"; die mit dem Konzept der "Klar" anvisierte Zielgruppe dürfte in der LeserInnenschaft der taz deutlich gegen Null tendieren. Diese mehrfache Deplatziertheit: Ist es noch gesteigerte Ignoranz oder schon bewusste Provokation?

Da Obszönität ja auch ein Mittel von Protest sein kann, bleibt die Frage, ob die Linksfraktion mit dieser fragwürdigen Werbeaktion gegen die taz, gegen Rudi Dutschke, oder gegen "1968" ganz allgemein protestieren wollte... Oder ist dies gar ein subversiv gemeinter Protest gegen eigene, hier offenbar gewordene Geschichtsvergessenheit?

Zur BILD-Zeitung lohnt immer ein Blick ins bekannte BildBlog, zur "Klar" findet sich dort allerdings noch nichts.