24. Januar 2009

Linke Hartz IV-Debatte parteischädigend?

Die Debatte über das Mindestsicherungskonzept der Bundestagsfraktion DIE LINKE geht weiter. Die umstrittene Vorlage des Fraktionsvorstandes wurde vorläufig von der Tagesordnung genommen, der inhaltliche Konflikt bleibt damit offen.

Katja Kipping, sozialpolitische Sprecherin der Fraktion und stellvertretende Parteivorsitzende DIE LINKE, hat eine sachliche Darstellung zum Konflikt geschrieben (vom 14.01.2009), nachzulesen bei der Emanzipatorischen Linken:
In einigen Medienberichten wird die Diskussion um das Mindestsicherungskonzept der Bundestagsfraktion dargestellt als ein Konflikt „Grundeinkommen versus Hartz IV light“, personalisiert durch Klaus Ernst und mich. In der folgenden Notiz möchte ich die Hintergründe dieser inhaltlichen Auseinandersetzung aus meiner Sicht beleuchten. (...)

Nun hieß es, meine Aussage, Klaus Ernst schließe eine 100prozentige Kürzung der Mindestsicherung nicht aus, sei pure Denunziation. Da Klaus Ernst sich seit Jahren, auch auf wiederholte Bitten, weigert, eine Summe zu benennen, unter die seiner Meinung nach nicht mehr gekürzt werden darf, bin ich zu dem obigen Schluss gekommen. Ich würde gerne eingestehen, dass es sich bei dieser meiner Schlussfolgerung um einen Irrtum handelt. Aber wenn die Gefahr einer 100prozentigen Kürzung ausgeschlossen werden soll, dann muss irgendeine Grenzlinie genannt werden. (...)

Tatsächlich gehen die inhaltlichen wie methodischen Vorstellungen von Klaus Ernst und mir weit auseinander. Beide Positionen sollten jedoch einen Platz in der neuen Linken haben. So sehr ich mich für meine Positionen engagiere, so wenig erwarte ich, dass diese immer eins zu eins zur offiziellen Position der Partei werden. Allerdings fände ich es politisch verheerend, wenn sich die Linksfraktion für ein Mindestsicherungsmodell ausspricht, welches eine 100prozentige Kürzung nicht ausschließt und welches sich nicht an der Armutsgrenze orientiert. Wegen dieser politischen Implikation hoffe ich, dass das Ernstsche Papier nicht unverändert bleibt. Und ich hoffe, dass die Fraktion einen Kompromiss findet.
Die beiden Fraktionsvorsitzenden Greogor Gysi und Oskar Lafontaine bezeichneten in einem Brief vom 21.01.2009 (u.a. hier dokumentiert, PDF) an die Landes- und Kreisvorsitzenden "Berichte im Internet und in den Medien ... dass das im Fraktionsvorstand diskutierte und grundsätzlich gebilligte Konzept [für eine bedarfsdeckende soziale Grundsicherung] 'Hartz IV light' sei", als "unsachliche und letztendlich parteischädigende Polemik".
Wir wollen Hartz IV überwinden und zu einer deutlich höheren und gerechteren Grundsicherung für Betroffene kommen.
Ein Antwortbrief von Carsten Labudda, Bundessprecher DIE LINKE. BAG Bürgerrechte und Demokratie, An die Fraktionsvorsitzenden vom 22.01. weist die "Diffamierung von wohl begründeter inhaltlicher Kritik als angeblich 'parteischädigend'" zurück und verweist weiter auf die in der Partei mit breiter Beteiligung zu führende Debatte zum Thema.
Lieber Oskar, lieber Gregor,

(...) Ihr verurteilt das Etikett „Hartz IV light“, aber auf die dahinter liegende inhaltliche Kritik an einem wichtigen Detail eures Grundsicherungskonzeptes geht ihr nicht ein, nämlich auf die Frage der Sanktionen. Ihr schreibt zu diesem Thema lediglich: „Der Sanktionspraxis im Bereich der Arbeitsförderung wollen wir einen Riegel vorschieben.“ Uns kann es aber nicht nur um die Überwindung der heute gängigen Praxis gehen. Uns muss es um die Überwindung von Sanktionen gegen die Armen überhaupt gehen.

Solange euer Konzept die Möglichkeit von Sanktionen noch enthält – und sei es als „ultima ratio“ – solange enthält euer Konzept einen zentralen Baustein der Funktionslogik von Hartz IV. Diese Zuordnung kann man so deutlich treffen, weil die alte Sozialhilfe vor Hartz IV die Möglichkeit der Sanktionierung unbotmäßigen Verhaltens nicht enthielt. Während die alte Sozialhilfe ein grundlegendes Recht eines jeden längere Zeit nicht erwerbstätigen Menschen war, ist Hartz IV nun eine durch den Amtswünschen gemäßes Verhalten zu verdienende Leistung geworden. Genau das aber wollen wir Linken doch gar nicht. (...)
Carsten Labudda bittet darum, den Brief innerhalb der Partei weiter zu verbreiten. Für Anregungen oder Kritik oder zur offenen Unterstützung des Briefes bitte per E-Mail an die Adresse darkrond [at] yahoo.de wenden.

Weitere Informationen und eine Auswahl von Stellungnahmen finden sich bei der Emanzipatorischen Linken sowie bei der BAG Grundeinkommen. – Über angeblich "Parteischädigende Kritik?" wundert sich auch der Journalist Tom Strohschneider in seinem Blog.

Der Parteivorstand der LINKEN hatte bereits am 13.10.2007 beschlossen, die Debatte über ein Grundsicherungskonzept der LINKEN in der gesamten Partei zu führen – was bisher offenbar unterblieb.
Über die Medien der Partei wird die Diskussion über die konkrete Ausgestaltung des Grundsicherungsmodells der LINLKEN befördert – mit dem Ziel bis zur Erstellung des nächsten Bundestagswahlprogramms die Meinungsbildung voranzutreiben.
Von einer lediglich fraktionsinternen Debatte und Beschlussfassung zu Hartz IV war hier nicht die Rede. – Bleibt die Frage an die LINKEN Fraktionsvorsitzenden, wie die Kritik ihrer Standpunkte parteischädigend sein soll, wenn die Partei sich selbst dazu noch keinen Standpunkt erarbeitet hat.

9. Januar 2009

Online-Politik blau getüncht

In der SpOn-Rezension zum Relaunch des Webauftritts der SPD, "Die Roten sind jetzt blau", schreibt Frank Patalong als Fazit:
Der Punkt, der bisher in keiner hiesigen Parteizentrale begriffen wurde: Ein wirklich erfolgreicher Polit-Auftritt im Web ist nicht abhängig von Design oder Features. Sondern von der Auffassung, mit der er serviert wird.
Da ist was dran.

Auch bei netzpolitik.org kann man Entwicklungen bezüglich Online-Wahlkampf und Politik im Netz verfolgen, Profi-Blogger Markus Beckedahl bastelt mit seiner Agentur "newthinking" an einer Serie von Mini-Studien zum Thema.
Hier die letzte Folge: 3. Kurzstudie: Politik im Web 2.0