22. September 2008

digitale-demokratie.org: Vom Ende des Datenschutzes

Seit kurzem ist eine neue Website online: Digitale Demokratie – Politiken der Informationsgesesellschaft.

"Es geht um Demokratie im Internet, Möglichkeiten der politischen Organisierung im Netz und Methoden des Online-Wahlkampfs." – Das Projekt soll noch wachsen und thematisch breiter werden, aber für den bescheidenen Anfang habe ich dort zwei Fragmente mit Überlegungen zu Perspektiven des Datenschutzes anhand zwei verschiedener Texte gepostet.

Vom Ende des Datenschutzes

Im taz-Interview vom 19.09.08, Klassischer Datenschutz ist überholt, fordert "Trendforscher" Sven Gábor Jánszky neue Prämissen für den Datenschutz. Heutige Internetnutzung mit Online-Shopping und sozialen Netzwerken bestehe eben auch aus einem bewussten Umgang der UserInnen mit ihren Daten, die sie ganz freiwillig an vielen Stellen hinterlassen würden. Die entstehenden Datensammlungen bei den verschiedenen Unternehmen wären folglich ganz im Sinne der KundInnen, da diese so zielgerichtete Werbung sowie Rabatte erhielten. Jánszky sieht darin eine Form von Souveränität besonders der jungen Generationen.

Tatsächlich ist Jánszky in Bezug auf das Ende des klassischen Datenschutz insoweit recht zu geben, als dass diesem immer mehr die politische Basis fehlt. (Mehr…)

Vom Ende des Datenschutzes, Teil 2

Die These vom Ende des Datenschutzes (in seiner bisherigen Form) ist keineswegs neu:
Bereits vor 15 Jahren hat der Datenschutzexperte Jan Kuhlmann scharfsinnige und weitsichtige Überlegungen zur Zukunft des Datenschutzes unter dem Titel Ende des Datenschutzes angestellt; zuerst veröffentlicht in: Blätter für deutsche und internationale Politik Nr. 11/1993 (S. 1333-1346). Dort war natürlich noch nicht vom Web 2.0 die Rede, statt dessen wird die flächendeckende Ausbreitung von "elektronischen Kontroll- und Zuteilungssystemen" (u.a. sind deren prominentester Ausdruck die damals immer alltäglicher werdenden Smartcards aka Chipkarten) als eine Tendenz zur "sozialökologischen Rationierung" beschrieben. (Mehr…)

Hardt kritisiert Rückschritt bei globalisierungskritischem Aktivismus

Schönes Interview mit Michael Hardt (bekannt durch die Bücher "Empire", 2000, und "Multitude", 2004; mit Antonio Negri) in der heutigen tageszeitung: Die Finanzkrise ist der letzte Sargnagel [für die Großmachtfantasien der USA]. Hardt sieht das Ende des nationalstaatlichen Imperialismus besiegelt, "sie allein können keine globale Machtstruktur errichten. (...) Die Kosten des Irakkriegs und nun die Finanzkrise setzen der US-Politik sehr enge Grenzen. Der Glaube, dass die USA die Welt beherrschen könnten, ist obsolet".

Der hartnäckigen Frage von taz-Parlamentskorresponentin Ulrike Herrmann beim Interview am Rande des Europäischen Sozialforums in Malmö nach dem revolutionären Subjekt und ihrem Verweis auf den momentanen Abschwung der globalisierungskritischen Bewegung entgegnet Hardt:
Bewegungen funktionieren nicht nach der Logik: Je umfassender die Krise, desto gewaltiger der Zulauf. Die französische Revolution hat auch nicht in jenen Jahren stattgefunden, als der Hunger am größten war.
Und weiter mit treffenden Bemerkungen zur Krise der globalisierungskritischen Bewegung und einigen Ursachen:
Die sozialen Bewegungen sollten nicht versuchen, sich wieder ein einziges Programmziel zuzulegen, das von einer zentralen Parteiführung beschlossen und von einigen wenigen Rednern transportiert wird.
Das klingt ja, als würden sich die Globalisierungskritiker zu einer Art kommunistischen Internationale entwickeln.
Von 2003 bis 2006 war die Bewegung sehr zentralisiert, und vielleicht war es auch unumgänglich, sich nur noch auf den Irakkrieg und die Anti-Bush-Kampagnen zu konzentrieren. Aber gleichzeitig ging der Spaß verloren, die Freude am Experiment und an der Vielfalt.
Braucht eine Bewegung nicht einen klaren Gegner wie eben Bush?
Das war ein Rückschritt zu einer älteren Form des linken Aktivismus. Wieder wurde von der falschen Prämisse ausgegangen, dass die USA noch die globale Politik diktieren könnten. Dabei waren die Globalisierungskritiker zwischen 1999 und 2003 schon weiter und haben mit verschiedenen Gegnern experimentiert: WTO, EU, G 8, IWF, Weltbank. Das war eine sehr intelligente Form der Theoriebildung, wie die neue globale Struktur aussehen könnte: Die Macht ist heutzutage auf Knoten in einem Netzwerk verteilt.
Und wie geht es weiter?
Jetzt beginnt ein neuer Zyklus des sozialen Widerstands, nachdem Bushs Antiterrorkrieg gescheitert ist. Die Kreativität und die Lust an der Vielfalt sind zurückgekehrt. Der Widerstand gegen den G-8-Gipfel in Heiligendamm war da ein Anfang. (...)

15. September 2008

Literatur: 1968 in Osteuropa

Da meinte das „Neue Deutschland“ doch tatsächlich anlässlich des 40. Jahrestag der Niederschlagung des Prager Frühlings folgende Frage aufzuwerfen: „Prag '68: War die Intervention des Warschauer Paktes notwendig?“ – Die Frage nach der Notwendigkeit einer Intervention könnte auch so verstanden werden, dass die Rechtmäßigkeit derselben vorausgesetzt wird. Die Debatte über eine Notwendigkeit der Intervention in der ČSSR ist also die Auseinandersetzung um die Rechtfertigung dieses militärischen Eingriffs. Zur Beantwortung präsentierte das ND nicht nur ein entschiedenes Nein (aus der Redaktion des Magazins »prager frühling«), sondern auch eine strikte Befürwortung des Einmarsches. In dieser Befürwortung wird auf den konterrevolutionären Charakter des Prager Frühlings verwiesen und von Quellen gesprochen, die dies längst bewiesen hätten.

Angenehm anders – im Gegensatz dazu – die Aufarbeitung des Prager Frühlings in dem Ende August 2008 erschienenen Band „Die letzte Chance? 1968 in Osteuropa. Analysen und Berichte über ein Schlüsseljahr“, editiert von Angelika Ebbinghaus. Eingeflossen sind hier neue Forschungsergebnisse und Quellen, wie die seit 2006 freigegebenen Dokumente des ZK der KPdSU, die von einer internationalen Forschungsgruppe aufgearbeitet wurden. Stefan Karner erweitert auf dieser Grundlage den Einblick in Wahrnehmungen und Entscheidungen der Führung des Warschauer Paktes.
Weitere Beiträge des Bandes behandeln neben der Situation in der ČSSR auch diejenige in Polen, Ungarn, Jugoslawien, Rumänien und in der DDR und fragen jeweils auch nach Wirkungen des Prager Frühlings und der westlichen 68er-Bewegungen. Kurzum, für die notwendige Auseinandersetzung mit den Ereignissen im Jahr 1968 lohnt ein Rückgriff auf diese Neuerscheinung.

Der ebenfalls im Band vertretende Stefan Bollinger veröffentlicht zugleich eine interessante Monografie unter dem Titel „1968 – die unverstandene Weichenstellung“ und spürt den Wechselwirkungen in Ost und West nach.

Literatur:
Der von Angelika Ebbinghaus herausgegebene Band „Die letzte Chance? 1968 in Osteuropa. Analysen und Berichte über ein Schlüsseljahr“ ist kürzlich beim VSA-Verlag erschienen. Mehr unter www.vsa-verlag.de.
Von Stefan Bollinger erschien beim Karl Dietz Verlag „1968 – die unverstandene Weichenstellung“. Mehr unter www.rosalux.de.

Weitere Texte:
Zusammenstellung von aktuellen Artikeln Zum Ende des Prager Frühlings von Bernd Hüttner, dem Koordinator des Gesprächskreises Geschichte der Rosa-Luxemburg-Stiftung.